In welcher Gesellschaft wollen wir leben?

Future on Stage am Campus Westerberg

Wie wird die Gesellschaft zukünftig leben, arbeiten, sich fortbewegen, alt werden und sich ernähren? Diese gesellschaftlichen Fragen gilt es mitzugestalten. Dafür diskutieren Wissenschaftler*innen an allen Standorten der Hochschule mit Studierenden, Promovierenden und Expert*innen aus der Praxis in der Veranstaltungsreihe „Future on Stage“.

Bei der zweiten Future on Stage-Veranstaltung am Campus Westerberg sprechen Hochschulpräsident Prof. Dr. Andreas Bertram, Sara Josef, Geschäftsführerin des Osnabrücker Vereins Exil e.V., Kim Kalinsky, Studentin der Hochschule Osnabrück, Prof. Dr. Johannes Hirata, Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere für internationale Wirtschaft sowie Prof. Dr. Hermann Heußner, Professor für Öffentliches Recht und Recht der Sozialen Arbeit, über die Frage „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“

Neben den Podiumsgästen wird auch das Publikum im Laufe des Abends immer wieder miteinbezogen. Per Smartphone-Abstimmung können sie interaktiv die Veranstaltung mitgestalten. Und so startet Moderatorin Carmen Hentschel auch die Podiumsdiskussion mit einer Frage an das Publikum: Welche Faktoren machen eine glückliche und gesunde Gesellschaft aus? „Freiheit“, „Toleranz“, „Solidarität“, „Sicherheit“ und „Gerechtigkeit“ waren die häufigsten Antworten. „Eine solche Frage zeigt immer ganz gut, was wir in Gefahr sehen. Denn dort steht jetzt zum Beispiel nicht ‚sauberes Trinkwasser‘, weil wir das hier zum Glück als Selbstverständlichkeit wahrnehmen“, kommentiert Prof. Dr. Johannes Hirata das Ergebnis.

Den Faktor Gerechtigkeit greifen die Gäste daraufhin in ihrer Diskussion auf. Kim Kalinsky, Studentin der Hochschule Osnabrück, fordert einen sozial gerechten Klimaschutz und befürchtet eine Spaltung der Gesellschaft durch die aktuelle Klimapolitik: „Die Menschen, die jetzt von der CO2-Steuer, von den steigenden Energiepreisen und von der Inflation schwer getroffen werden und sich noch mehr einschränken müssen als vorher, das sind nicht die Menschen, die den Klimawandel zum Großteil zu verantworten haben.“ Hirata meint dagegen: „Ich glaube nicht, dass die Klimapolitik die Gesellschaft spaltet, sondern die Klimapolitik findet in einer gespaltenen Gesellschaft statt, im Hinblick auf die Einkommenssituation. Und das erschwert eine effektive, sozialverträgliche Klimapolitik.“ Sara Josef, Geschäftsführerin des Osnabrücker Vereins Exil e.V., erweitert den Blick um die internationale Perspektive: „Die Menschen und Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, leiden am meisten darunter – und das schon heute.“

Weg vom Wirtschaftswachstum als „unangefochtenes Ziel“

Wie lässt sich bestimmen, wie glücklich und gesund eine Gesellschaft ist? Viel zu häufig werde dafür das Wirtschaftswachstum als Indikator herangezogen, findet Hirata: „Das Wirtschaftswachstum hat einen zu hohen Stellenwert und gilt weiterhin unangefochten als übergeordnetes Ziel. Und ich glaube, dass das ein Problem ist. Nicht, weil Wirtschaftswachstum an sich etwas Schlechtes ist, sondern weil es den falschen Fokus setzt. Wirtschaftswachstum ‚misst‘ ja letztendlich, wie viel wir produzieren und eine gute, gesunde Gesellschaft, kann ja nicht davon anhängen, dass sie immer mehr produziert.“ Auch Hochschulpräsident Prof. Dr. Andreas Bertram zweifelt am Wirtschaftswachstum als Zielgröße: „Mir hat sich das noch nie erschlossen, warum es immer ein Wachstum an Gütern sein muss. Warum kann es nicht ein Wachstum an Freizeit sein? An sozialen Kontakten? Ein Wachstum an Gesundheit oder Bildung? Ich verstehe nicht, warum das Wohlbefinden unserer Gesellschaft angeblich so an Ressourcenverbrauch gekoppelt ist.“ Prof. Dr. Hermann Heußner, Professor für Öffentliches Recht und Recht der Sozialen Arbeit, ist überzeugt, dass eine solche Entwicklung durchaus möglich ist: „Die Frage ist, ob wir quantitatives oder qualitatives Wachstum wollen. Wenn wir qualitatives Wachstum wollen, müssen wir allerdings auch vorher definieren, welche Qualitäten wachsen sollen. Ich glaube, das geht, wir müssen das nur wollen.“

Mehr Austausch, Dialog und Kommunikation

Doch die Gesellschaft wird immer heterogener. Das mache den Prozess herauszufinden, welche Qualitäten in einer glücklichen Gesellschaft wachsen sollen, zu einer großen Herausforderung. „Wenn wir über eine glückliche Gesellschaft sprechen, dann haben wir tausend Indikatoren, aber woran mache ich denn Glück fest? Denn Glück ist ein Empfinden. Und darüber müssen wir ehrlich in den Dialog kommen. Das würde ich mir wünschen“, sagt Bertram. Auch Heußner sieht hier Kommunikationsbedarf: „Unser Problem ist, dass wir eine Demokratie sind, in der sich die meisten Leute mit unterschiedlichen Meinungen und Ansichten, die sich gegenseitig zuhören müssten und sich aushalten müssten, gar nicht treffen. Aber diese Dialoge sind notwendig und das müssen wir organisieren.“ Einig sind sich alle: Für einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt brauche es neben guter Kommunikation und richtigem Zuhören auch Orte für gemeinsame Begegnungen und Diskurse. Doch wer kann zu so einem Austausch einladen? Die häufigsten Nennungen des Publikums: Vereine und Bildungseinrichtungen, wie Schulen und Hochschulen. „Den Ball möchten wir gerne aufnehmen und mit Veranstaltungen wie dieser Diskurse anstoßen und Lösungsansätze für Morgen finden“, so Bertram. „Wir freuen uns über alle Menschen, die sich bei uns engagieren wollen, denn auch Ehrenamt kann einen wichtigen Teil zur Stärkung der Gesellschaft beitragen“, ergänzt Josef.

 

Die spannende Podiumsdiskussion kann in voller Länge auf dem YouTube-Kanal der Hochschule angeschaut werden.