,,Kulturelle Öffnung“ – Diversity und Interkulturelle Kompetenz im Kontext der Integration von Geflüchteten
Aktueller Stand der Forschung
Aktueller Stand der Forschung
Zentraler Begriff dieses Forschungsprojektes ist Kultur. Was versteht man darunter eigentlich? Eine einheitliche Definition hierzu gibt es nicht. Versucht man die verschiedenen Erklärungen zusammenzufassen ergibt sich, dass Kultur sich zum einen in adaptiven Interaktionen abbildet, welche Sprache, Konzepte, Symbole, Religion, Verhaltensmuster und soziale Muster bezeichnen. Zudem besteht Kultur aus gemeinsamen Elementen, wie Sprache, Zeit und Ort und wird über längere Zeitperioden und über Generationen hinweg übertragen. Kultur ist als nicht von einem einzelnen Menschen abhängig, sondern wird über diesen nur weitergegeben (Kroeber & Kluckhohn (1990), zitiert nach Genkova, P. 2012). Menschen, die einer Kultur angehören sind sich also ähnlich, somit ist der Umgang mit Menschen der eigenen Kultur einfach, er ist einem vertraut. Die Ähnlichkeit schafft eine gewisse Art von Sympathie. Dagegen werden gegen Menschen anderer Kultur häufig Vorurteile und Stereotype gebildet, d.h. es existiert eine (unbegründete) Voreinstellung über eine andere Gruppe von Personen. Da einem die andere Kultur ,,fremd‘‘ erscheint, sind diese Einstellungen häufig eher negativ (Genkova, P. 2012).
In der Interaktion von Menschen unterschiedlicher Kulturen kommt es schnell zu Missverständnissen und Problemen. Dies kann schon bei der Begrüßung anfangen: Während sich die Menschen in dem einen Land mit Wangenküssen begrüßen, wird in dem anderen Land durch eine Begrüßung mittels einer Verbeugung deutlich größere Distanz bewahrt. Um hier vorzubeugen, ist es wichtig, Wissen über die fremde Kultur aufzubauen und zudem ein Bewusstsein dafür zu haben, wie das eigene Verhalten auf andere Menschen wirkt (Thomas, A. 2014). In diesem Zusammenhang ist häufig die Sprache von Interkultureller Kompetenz. Interkulturelle Kompetenz ist ein sehr umfassendes Konstrukt, welches unterschiedliche Fähigkeiten miteinschließt. Es gibt keine einheitliche Definition. Nach Thomas (2016) beschreibt der Begriff die Fähigkeit, kulturelle Überschneidungssituationen zu erkennen und in diesen Situationen die Verlaufsprozesse und Wirkungen aus dem eigenen sowie fremden Organisationssystemen zu verstehen. Auf Grundlage dieses Verständnisses werden nun Handlungsstrategien abgeleitet, die die Ziele aller beteiligten Personen berücksichtigen. So kann die kulturelle Überschneidungssituation zur Zufriedenheit aller Personen abgeschlossen werden und das Verständnis für die jeweils andere Kultur gestärkt werden.
Voraussetzung für die Entwicklung von interkultureller Handlungskompetenz ist die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit fremden Organisationssystemen und das Interesse an interkulturellem Kontakt (Thomas, 2016).
Insgesamt kann die Erwerbung von interkultureller Handlungskompetenz als Lern- und Entwicklungsprozess gesehen werden. Die Aneignung von Wissen über fremde Kulturen sollte einhergehen mit persönlichen Kontakt und der kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur (Thomas, 2016).
Nach Van der Zee und Von Oudenhoven (2008) helfen Kulturelle Empathie, Aufgeschlossenheit, Emotionale Stabilität, Flexibilität und Soziale Initiative dabei, interkulturelle Kompetenz aufzubauen. Unter Kompetenzenmodellierung finden Sie eine Zusammenstellung aus verschiedenen Forschungsergebnissen. Kurz gesagt ist Interkulturelle Kompetenz die Fähigkeit, sicher mit Personen anderer Kulturen interagieren zu können, ihr Verhalten richtig einzuschätzen und sein eigenes Verhalten so anzupassen, dass Missverständnisse vermieden werden.
Doch wie kann eigentlich erfasst werden, in wie weit eine Person interkulturell kompetent ist? Inzwischen wurden zur Messung interkultureller Kompetenz verschiedene Fragebögen entwickelt, die unterschiedliche Schwerpunkte setzten. Einige finden Sie hier aufgelistet:
- Multicultural Personality Questionnaire (MPQ; Van der Zee & Van Oudenhoven, 2000): misst Kulturelle Empathie, Aufgeschlossenheit, Emotionale Stabilität, Flexibilität und Soziale Initiative
- Cultural Intelligence Scale (CQS; Deardorff, 2006): basiert auf dem Modell der Einstellungsänderung, dabei finden Änderungen auf kognitiver (Annahmen und Überzeugungen), affektiver (Gefühle und Emotionen) und behavioraler (Verhaltensweisen) Ebene statt. Diese Ebenen werden durch den CQS erfasst
- Sociolcultural Adjustment Model (Ward, Bochner & Furnham, 2001): befasst sich vor allem mit den Stress- und Belastungsfaktoren
- Diversity Organisationskultur (Harrsion und Klein, 2007): beschäftigt sich mit dem Umgang Menschen unterschiedlicher Kulturen im Unternehmen und den Anforderungen an das Management
- Skala ,,Soziale Identität‘‘ (Orth, Broszkiewiccz & Schütte, 1996)
- Fragebogen zu der Akkulturationsstrategien - eine Skala von Berry, Kalin & Taylor (1977): besonderer Fokus liegt hier auf Strategien der Integration und Kulturübernahme, bzw. der Anpassung an eine andere Kultur
Es gibt noch viele weitere Messinstrumente und Skalen in diesem Kontext. Bei der Zusammenstellung eines Fragebogens wird zudem häufig auf die Kurzfassung des Inventar Sozialer Kompetenz (ISK-K) nach Kanning (2009) zurückgegriffen, durch welchen beispielsweise die Empathie und das Einfühlungsvermögen eingeschätzt werden können.
Die Forschung hat gezeigt, dass der Umgang mit anderen Kulturen besonders gut über die Critical Incident Methode und den Cultural Assimilator trainiert werden kann.
Diese Trainingsmethoden wurden entwickelt, um für eine effizientere Kommunikation in heterogenen kulturellen Gruppen zu sorgen (Kosowoski, 2010). Sie gründen auf dem Grundsatz, dass interkulturelle Missverständnisse auf kulturspezifischen Interpretationsmustern basieren, weil das Verhalten des Gegenübers entweder irritierend wirkt oder aber fehlinterpretiert wird (Kumbruck & Derboven, 2016). Aus diesem Grund soll ein besseres Verständnis der anderen Kultur durch die Auseinandersetzung mit problembehafteten Fallbeispielen, die auf die Praxis, z. B. den Arbeitsalltag, übertragbar sind, erreicht werden.
Bei der Critical-Incident-Methode wird das Fallbeispiel in der Gruppe analysiert – was ist geschehen? Wo könnte das Problem und die Missverständnisse entstanden sein? Im Anschluss daran findet eine Diskussion über verschiedene Handlungsalternativen statt. Ziel ist es einen Lösungsweg für ähnliche Situationen zu finden.
Der Cultural Assimilator ist in gewissen Maße eine Weiterentwicklung der Critical Incident Methode. Die Handlungsvorschläge/ Erklärungsansätze werden hierbei jedoch schon vorgegeben (meistens vier), von denen einer die ,,Musterlösung‘‘ darstellt. In dieser Musterlösung ist auch Verhaltensvorschlag mitinbegriffen.
Ein besonderer Vorteil dieser Methode stellt die flexible Einsatzmöglichkeit dar. Je nach Kontext und Zielgruppe können die Dimensionen und Fallbeispiele entsprechend angepasst werden und vielfältig für Personengruppen, die im interkulturellen Kontext kommunizieren, genutzt werden. So helfen mit diese Methoden den Umgang mit Menschen anderer Kulturen direkt zu erproben und die fremde Kultur besser zu verstehen (Kosowoski, 2010).
Themenverantwortliche:
Matt Flynn, Universität von Hull, m.c.flynn@hull.ac.uk
Louise Wong, Wai Yin, louise_wong@waiyin.org.uk
Elaine Dewhurst, University of Manchester, elaine.dewhurst@manchester.ac.uk Petia Genkova, Hochschule Osnabrück, p.genkova@hs-osnabrueck.de Christoph Daniel Schaefer, Hochschule Osnabrück, drandenken@gmx.de
Forschungsthema für Frontiers in Psychology
Wir schlagen ein Forschungsthema zum Thema Alterung und Migration vor. Wir suchen Beiträge von Kollegen aus dem akademischen Bereich, von Migrationsgruppen, politischen Gremien und dem dritten Sektor. Zu den Beiträgen gehören Originalforschung, systematische Übersichten, Fallstudien aus der Gemeinschaft, Forschungsberichte und politische Übersichten. Um das Thema vorschlagen zu können, müssen wir eine Liste von dreißig Beitragszahlern erstellen. Wenn Sie daran interessiert sind, einen Beitrag zu leisten, senden Sie bitte eine E-Mail an Matt Flynn (m.c.flynn@hull.ac.uk) mit Ihrem vorgeschlagenen Beitrag. Dies ist nur eine vorläufige Liste von Beiträgen, so dass wir nur das Interesse abwägen. Bitte teilen Sie uns Ihr Interesse bis zum 22. April 2021 mit.
Hintergrund
Mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung wächst das Interesse von politischen Entscheidungsträgern, Unternehmen und anderen Stakeholdern an der Frage, wie älteren Menschen ein "aktives Altern" ermöglicht werden kann: durch Maßnahmen zur Förderung des gesunden Alterns, durch die Teilnahme an sozialen, wirtschaftlichen und bürgerschaftlichen Angelegenheiten und durch die Gewährleistung von physischer, sozialer und Einkommenssicherheit. Der Zugang älterer Menschen zu Ressourcen, die für ein gutes Altern notwendig sind, wird durch den sozioökonomischen Status beeinflusst. Dies wiederum lenkt die Aufmerksamkeit auf die politischen und ressourcenbezogenen Bedürfnisse von Gemeinschaften älterer Menschen. Eine solche Gemeinschaft sind ältere Migranten, die von Warnes et al. (2004) als "Ageing in Place" bezeichnet werden, einschließlich Wirtschaftsmigranten, Asylbewerber und Arbeiter ohne Papiere. Für viele ist ihr Lebensverlauf durch prekäre und unterbrochene Karrieren, fehlenden Zugang zu öffentlichen Ressourcen und soziale Isolation gekennzeichnet. Hinzu kommt, dass sich Alter und Rasse überschneiden und einzigartige Formen der Diskriminierung schaffen. Daher ist ein multidisziplinärer Fokus erforderlich, um einen Rahmen für aktives Altern (Weltgesundheitsorganisation, 2002) anzuwenden, um das Leben älterer Migranten zu verbessern.
Das Ziel dieses Forschungsthemas ist es, zu untersuchen, wie das Rahmenwerk "Aktives Altern" der WHO genutzt werden kann, um zu verstehen, wie ältere Zuwanderer die sozialen, wirtschaftlichen und persönlichen Erfahrungen des Alterns erleben, welche Barrieren sie für ein gutes Altern überwinden müssen und welche Herausforderungen für die öffentliche und soziale Politik bestehen, um ein sicheres, partizipatives und gesundes Altern innerhalb der älteren Zuwandererpopulation zu gewährleisten. Ein multidisziplinärer Ansatz ist notwendig, um die Erfahrungen älterer Zuwanderer mit dem Altern zu verstehen und Wege zur Förderung des aktiven Alterns zu finden. Dieses Forschungsthema zielt darauf ab, zu erforschen, wie sich die früheren Erfahrungen älterer Zuwanderer in sozialen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereichen auf die gegenwärtigen Erfahrungen bei der Vorbereitung auf den Ruhestand und beim Durchleben des Ruhestands, beim Engagement in Familie und Gemeinde und bei der Pflege am Lebensende auswirken. Außerdem soll ein Dialog darüber entstehen, wie politische Entscheidungsträger, Unternehmen, Organisationen des dritten Sektors und ältere Zuwanderer selbst das aktive Altern innerhalb dieser Gemeinschaft fördern können.
Aufruf zur Einreichung von Beiträgen
Wir freuen uns über Originalarbeiten, systematische Übersichten, kommunale Fallstudien, Forschungsberichte und Politikberichte sowie allgemeine Kommentare und Meinungsbeiträge zum Thema aktives Altern und Zuwanderung. Beiträge aus den Perspektiven der Migrationsforschung, der öffentlichen und sozialen Politik, der Soziologie, der Gesundheit, der Psychologie und der Wirtschaft sind willkommen, wobei diese Liste nicht vollständig ist. Um die politische Wirkung dieses Forschungsthemas zu verstärken, ermutigen wir insbesondere zur Koproduktion von Beiträgen zwischen Akademikern und Mitgliedern von Zuwanderergemeinschaften. Wir begrüßen Beiträge zu folgenden Themen:
- Wie ältere Zuwanderer das Älterwerden im sozialen, wirtschaftlichen und persönlichen Bereich erleben
- Barrieren, denen sich ältere Zuwanderer gegenübersehen, um gut zu altern
- Soziale und politische Herausforderungen bei der Ermöglichung eines aktiven Alterns innerhalb der Migrantenbevölkerung
- Die Überschneidung von Alter und Migrationsstatus in Bezug auf die gelebte Erfahrung
- Beispiele für bewährte Praktiken des aktiven Alterns mit Zuwanderern und wie diese verbreitet werden können, geteilt und eingebettet werden können.