Teilprojekte
IBAD
Schwerpunkte
Das Vorhaben
Der demografische Wandel stellt für die Daseinsvorsorge besondere Herausforderungen. Eine davon ist die Mobilität in großflächigen Räumen, da individuelle Ansätze dort schwer umzusetzen sind. Für die Teilhabe am öffentlichen Leben ist jedoch diese flexible und autonome Mobilität Voraussetzung. Auch der Bedarf an intelligenten Lösungsansätzen für klimafreundliche Mobilitätskonzepte zwingt uns zu Konzepten abseits des Individualverkehrs.
Eine tragende Rolle in der Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen übernimmt die Nahversorgung. Der stetige Rückgang von Versorgungseinrichtungen durch Konzentrationsprozesse der Anbieter, die auf wirtschaftliche Optimierung zurückzuführen sind, bildet daher einen weiteren Betrachtungspunkt im Verlauf des Projektes. Aufgrund der Konzentrationsprozesse nehmen die zu überwindenden Distanzen stetig zu. Mobilitätsbedürfnisse werden immer mehr nur durch motorisierte Verkehre befriedigt werden können. Daher kann die regelmäßige und erleichterte Versorgung mit regionalen Gütern oder Wunschprodukten den Alltag maßgeblich entlasten.
Im Zuge des Modellvorhabens werden diese und weitere Aspekte analysiert und in enger Zusammenarbeit mit relevanten Akteuren in der Grafschaft Bentheim neue Konzepte erstellt und erprobt. Im Folgenden werden die Schwerpunkte des Vorhabens genauer erläutert
Der Landkreis Grafschaft Bentheim liegt im Südwesten Niedersachsens. Er grenzt im Süden an Nordrhein-Westfalen und im Westen an die Niederlande. Die Siedlungsstruktur zeichnet sich im Regionalen Raumordnungsprogramm für den Landkreis Grafschaft Bentheim neben einem Mittelzentrum und acht Grundzentren durch eine Vielzahl kleiner Dörfer, Einzelhöfe und Streusiedlungen aus. Der Landkreis mit 135.000 Einwohnern ist dem ländlichen Raum zuzuordnen, was u.a. durch eine Einwohnerdichte von 138 Einw./km² und Entfernungen zu nächst gelegenen Oberzentren von mehr als 50 km zum Ausdruck kommt.
Seit 2004 kommen im Landkreis Grafschaft Bentheim flächendeckend Bedarfsverkehre zum Einsatz. Sie sind mit dem Busangebot eng verknüpft. Dadurch kann trotz geringer Einwohnerdichte von Montag bis Sonntag ein 60-Minuten-Takt angeboten werden. Das Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs [ÖPNV] ist aufgrund des geltenden Rechtsrahmens fahrplan- und haltestellengebunden. Er ist fahrplangebunden, um durch den Fahrplan gewisse Bündelungseffekte erzielen zu können. Haltestellengebunden ist es, weil dies vom gesetzlichen Rahmen (Personenbeförderungsgesetz) vorgeben war. Eine Änderung des Rechtsrahmens sowie eine weniger restriktive Haltung der Genehmigungsbehörde erlaubt nun Verkehre, die an der Haustür beginnen oder enden können, wenn sie im Gegenzug an einer Haltestelle beginnen oder enden. Diese Chance soll genutzt werden, um insbesondere für ältere Menschen im ländlichen Raum die Zugangshemmnisse zur Nutzung des ÖPNV zu reduzieren.
Um den Bedarfsverkehr von der linienhaften zur flächenhaften Erschließung des Raumes fortzuentwickeln, soll eine Bedienung von der Haustür zur Haltestelle (oder umgekehrt) angeboten werden. Dadurch wird insbesondere für ältere Menschen der Zugang zum ÖPNV durch den wegfallenden Weg zur Haltestelle vereinfacht.
Die Fortentwicklung der Haustürbedienung erhöht die Komplexität der Verkehrssteuerung erheblich. Um insbesondere das ehrenamtliche Engagement der Fahrer zu erhalten, muss für diese die Komplexität der Informationen während der Fahrt so gering wie möglich gehalten werden, denn zusätzlicher „Stress“ reduziert die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren.
Darauf aufbauend sollen Dienstleistungen angeboten werden, die erst durch die Realisierung der Haustürbedienung möglich werden. Sie wirken zudem stabilisierend auf die Nachfrage und tragen damit zum Erhalt des Gesamtsystems bei.
Die (ehrenamtliche) Personenbeförderung im ÖPNV soll durch den Transport von (Klein-)Gütern wie Lebensmitteln, Gepäck, Sanitärartikeln und (wenn rechtlich zulässig) Medikamenten ergänzt werden. Damit wird die Versorgung im ländlichen Raum möglich, ohne eigens in das nächstgelegene Grundzentrum fahren zu müssen. Dies soll wegbrechende Versorgungstrukturen kompensieren und nicht in Konkurrenz zu lokal ansässigen Nahversorgungseinrichtungen stehen. Grundsätzlich bedeutet die Belieferung mit Waren eine Zeitersparnis und insbesondere älteren und gesundheitlich beeinträchtigten Menschen ermöglicht es, sich länger selbstständig zu versorgen und Angehörige zu entlasten, weil deren Zeit nicht mehr für Fahrdienste in Anspruch genommen werden muss.
Die bestehende Fahrgastinformation soll zur „Mobilität auf Knopfdruck“ erweitert werden, sodass gleichzeitig Aktivitäten wie z.B. die Reservierung eines Arzttermins oder der Einkauf von Waren mit der Organisation inkl. Buchung eines passenden Mobilitätsangebots kombiniert werden. Dazu bucht der Verantwortliche in der Gesundheits- bzw. Nahversorgungseinrichtung bei Anfrage eines Arzttermins bzw. bei der Durchführung eines Einkaufs freie Kapazitäten in einem Fahrzeug, um die Beförderung der Person bzw. Ware darüber zu organisieren.
Um im Sinne eines möglichst autonomen Lebens nicht auf die Hilfe Dritter bei Fahrten z.B. zum Einkauf, zu Arztterminen oder Verabredungen angewiesen zu sein, sollen Unterstützungsfunktionen für Fahrgäste im ÖPNV vor, während und nach der Fahrt angeboten werden. Dies gilt insbesondere für den ÖPNV, für den die Bürger- und Rufbusse als Zu- und Abbringer dienen. Mit Hilfe eines auf dem Smartphone installierten virtuellen Reisewegbegleiters sollen entsprechend einem hinterlegten persönlichen Profil des Nutzers aktuelle, echtzeitbasierte Informationen zur Reise gegeben werden.
Mit Hilfe der Navigation soll Fahrgästen die Orientierung auf dem Weg von und zur Haltestelle bzw. zur Zieladresse sowie an großen Verknüpfungspunkten zur Identifikation des richtigen Fahrzeugs erleichtert werden. Durch Angaben zur Eintreffzeit des Bedarfsverkehrs oder Regionalbusses wissen Fahrgäste auch an Haltestellen ohne dynamische Fahrgastinformation, wann das von ihnen gewünschte Fahrzeug ankommt. Während der Fahrt sieht der Fahrgast den genauen Fahrtverlauf mit allen Haltestellen und erhält dadurch Hinweise zum Ausstieg. Über die App erhält der Fahrgast ebenfalls Hilfestellungen in Notsituationen vor oder nach der Fahrt. Durch die verbesserten Fahrgastinformationen und das damit gesteigerte Sicherheitsgefühl wird die selbstständige und unabhängige Nutzung des ÖPNV erleichtert.