Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung durch den öffentlichen Jugendhilfeträger
- Fakultät
Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WiSo)
- Version
Version 1 vom 22.07.2024.
- Modulkennung
22B1543
- Niveaustufe
Bachelor
- Unterrichtssprache
Deutsch
- ECTS-Leistungspunkte und Benotung
5.0
- Häufigkeit des Angebots des Moduls
Winter- und Sommersemester
- Dauer des Moduls
1 Semester
- Kurzbeschreibung
In seiner humanistischen Ausrichtung geht Art. 6 Abs. 2 GG davon aus, dass Eltern das Wohlergehen, der Schutz und die Entwicklung ihre Kinder mehr am Herzen liegen, als jeder anderen Person. Ihnen steht insofern auch das grundgesetzlich verankert Recht zu, ihre Kinder alleinverantwortlich zu pflegen und zu erziehen. Dieses Elternrecht ist allerdings keine Einbahnstraße. Mit ihm korrespondiert eine Pflege- und Erziehungsverpflichtung, über die die staatliche Gemeinschaft wacht. Dazu zählt als Teil der Exekutive auch das Jugendamt. Ihm steht beim Schutz von Kindern und Jugendlichen eine Schlüsselfunktion zu. Der Schutzauftrag gem. § 8a SGB VIII und die unmittelbare Gefahrenabwehr gem. § 42 SGB VIII (Inobhutnahme) sind zentrale Bausteine im Kinderschutz und beziehen sich u.a. auf Situationen, in denen Erziehungsberechtigte nicht bereit bzw. in der Lage, ihrer Erziehngsverantwortung nachzukommen, weshalb es in der Konsequenz zu einer Kindeswohlgefährdung kommt. Der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung beschreibt insofern die Umsetzung des staatlichen Wächteramtes durch den öffentlichen Jugendhilfeträger. Zu seiner inhaltlichen Ausgestaltung macht das Gesetz keine Angaben. Hierfür gilt: Guter und effektiver Kinderschutz hat sich an aktuellen Theorieentwicklungen zu orientieren und ist einem stetigen Reflexionsprozess zu unterziehen. Zudem muss er in ein konkretes Handlungskonzept eingebunden sein, das allen Beteiligten Sicherheit und Transparenz bietet und verfügbare Ressourcen mit einbezieht. Das umfasst auch professionelle Netzwerke.
- Lehr-Lerninhalte
Inhaltliche Grundlagen einer Kindeswohlgefährdung
- Eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung vs. Kindeswohlgefährdung
- Gefährdungssituationen von Kindern/Jugendlichen
- Umfang und Schranken des Elternrechts
- Erziehungskompetenzen/kompetentes Elternverhalten
- Erziehungfähigkeit
- Grundbedürfnisse von Kindern/Jugendlichen
- Merkmale einer Kindeswohlgefährdung
- Gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung/Gefährdungsrisiken
Rechtliche Grundlagen des Schutzauftrages
- Rechtliche Einordnung des Schutzauftrages öffentlicher Jugendhilfeträger
- Möglichkeiten und Grenzen der Kinder- und Jugendhilfe bei der Unterstützung von Eltern, die ihre Kinder gefährden
- Strafrechtliche Garantenstellung/Garantenpflicht von Fachkräften öffentlicher Jugendhilfeträger
- Funktion freier Jugendhilfeträger bei der Unterstützung von Erziehungsberechtigten bei der Gefahrenabwehr
- Gesamtarbeitsaufwand
Der Arbeitsaufwand für das Modul umfasst insgesamt 150 Stunden (siehe auch "ECTS-Leistungspunkte und Benotung").
- Lehr- und Lernformen
Dozentengebundenes Lernen Std. Workload Lehrtyp Mediale Umsetzung Konkretisierung 30 Vorlesung Präsenz - 30 Seminar Präsenz - Dozentenungebundenes Lernen Std. Workload Lehrtyp Mediale Umsetzung Konkretisierung 20 Veranstaltungsvor- und -nachbereitung - 30 Literaturstudium - 40 Literaturstudium -
- Benotete Prüfungsleistung
- Klausur oder
- Portfolio-Prüfungsleistung oder
- Referat (mit schriftlicher Ausarbeitung)
- Bemerkung zur Prüfungsart
Die Portfolio Prüfung umfasst 100 Punkte und setzt sich aus den Prüfungselementen Referat (R) und 1-stündiger Klausur (K1) zusammen. Das Referat in der Portfolioprüfung wird mit 30 Punkten gewichtet. Die abschließende Klausur (K1) wird bei der Berechnung der Modulnote mit 70 Punkten gewichtet.
- Prüfungsdauer und Prüfungsumfang
Die Klausurdauer kann der jeweils gültigen Studienordnung entnommen werden.
Das Referat als alleinige Prüfungsform hat eine Dauer von ca. 40 Minuten, die dazugehörige Ausarbeitung umfasst ca. 10 Seiten.
Das Referat in der Portfolioprüfung hat eine Dauer von ca. 20 Minuten, die dazugehörige Ausarbeitung umfasst ca. 7 Seiten.
Die Anforderungen werden in der jeweiligen konkreten Veranstaltung präzisiert.
- Empfohlene Vorkenntnisse
Das Modul versteht sich als vertiefende Studienmöglichkeit, indem hier grundlegende Kenntnisse u. a. aus den Modulen „Familien- und Jugendrecht für die Soziale Arbeit“, "Praxisfelder der Sozialen Arbeit“, „Soziale Exklusion und Inklusion im Kontext Sozialer Arbeit", „Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit: Case Management und Dokumentation" aufgegriffen, in neuen Anwendungskontexten vertiefend betrachtet, analysiert und dadurch erweitert werden.
- Wissensverbreiterung
Studierende, die dieses Modul erfolgreich studiert haben:
- können zwischen einer dem Wohl des Kindes nicht entsprechenden Erziehung und einer Kindeswohlgefährdung unterschieden.
- können anhand eines mehrdimensionalen Erklärungsmodells Kindeswohlgefährdung als Folge unterschiedlicher Erziehungsschwierigkeiten bzw. sozialer Rahmenbedingungen beschreiben.
- kennen die rechtlichen und strukturellen Vorgaben des Schutzauftrages gem. §§ 8a und 42 SGB VIII und seine handlungsbezogenen Anwendungsbereiche.
- kennen inhaltliche und fachliche Standards für ein theoriegeleitetes Vorgehen bei der Bewertung gewichtiger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung
- können das Spannungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe zwischen Hilfe und Kontrolle reflektieren und anhand verschiedener praktischer Problemstellungen erörtern.
- kennen geeignete Hilfeangebote aus dem Bereich des SGB VIII, um einer Kindeswohlgefährdung entgegenwirken zu können.
- Wissensvertiefung
Studierende, die dieses Modul erfolgreich studiert haben, erlangen vertiefende Einblicke in die beim Jugendamt als öffentlichen Leistungsträger verankerten Strukturvorgaben zum Kinderschutz. Sie sind in der Lage, komplexe Kinderschutzsachverhalte einer theoretisch geleiteten Bewertungsanalyse zu unterziehen. Dabei können sie inhaltliche Zusammenhänge zwischen der (eingeschränkten/fehlenden) Erziehungsfähigkeit und den sich daraus für Minderjährige ergebenen Gefährdungssituationen herstellen.
- Wissensverständnis
Studierende die dieses Modul erfolgreich studiert haben, sind in der Lage, die Ursachen von Kindeswohlgefährdung nicht allein als individuelles Problem zu betrachten, sondern kennen unterschiedliche sozial- und erziehungswissenschaftlich sowie psychologisch begründete Zusammenhänge und können diese einordnen.
- Nutzung und Transfer
Studierende, die dieses Modul erfolgreich studiert haben, erwerben theoretische und praxisbezogene Kenntnisse zum gesetzlich verankerten Schutzauftrag der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe. Sie können auch komplexe Kinderschutzfälle beschreiben und bewerten und dabei einen fachlichen Erklärungsansatz zu Grunde legen. Sie sind in der Lage, Einschätzungen zu Gefährdungsverläufen theoriegeleitet herzustellen und kennen geeignete Hilfeangebote öffentlicher und freier Jugendhilfeträger, mit dessen Unterstützung einer Kindeswohlgefährdung begegnet werden kann.
- Wissenschaftliche Innovation
Studierende, die dieses Modul erfolgreich studiert haben, kennen valide Indikatoren einer Kindeswohlgefährdung.
- Kommunikation und Kooperation
Studierende, die dieses Modul erfolgreich studiert haben, können valide Risikofaktoren für eine Kindeswohlgefährdung benennen. Sie können zwischen einer Kooperationsbereitschaft der Erziehungsberechtigten und ihrer Veränderungsbereitschaft unterscheiden. Sie kennen prekäre Lebenslagen und schwieriger Erziehungssituationen und sind in der Lage, zwischen „nicht gewichtigen“ und „gewichtigen“ Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung inhaltlich zu unterscheiden. Sie kennen rechtliche Möglichkeiten, um in Akutsituationen Kinder und Jugendliche zu schützen und können diese formulieren.
- Wissenschaftliches Selbstverständnis / Professionalität
Studierende, die dieses Modul erfolgreich studiert haben, können den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe am wissenschaftlichen Habitus Sozialer Arbeit erläutern.
- Literatur
Brazelton, B., T.; Greenspan, S., I. (2002): Die sieben Grundbedürfnisse von Kindern; Weinheim und Basel: Beltz
Deegener, G.; Körner, W. (2006): Risikoerfassung bei Kindesmisshandlung und Vernachlässigung. Theorie, Praxis, Materialien. Lengerich u.a.: Pabst
Deegener, G.; Körner, W. (2005): Kindesmisshandlung und Vernachlässigung – Ein Handbuch. Göttingen u.a.: Hogrefe
Gerber, Christine & Lillig, Susanne (2018). Gemeinsam lernen aus Kinderschutzverläufen. Eine systemorientierte Methode zur Analyse von Kinderschutzfällen aus fünf Fallanalysen, Beiträge zur Qualitätssicherung im Kinderschutz 9. Herausgegeben vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH). Köln.
Heinz Kindler, Lillig, Susanna, Blüml, Herbert, Meysen, Thomas & Werner, Annegret (Hrsg.). Handbuch Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB und Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD). München: Deutsches Jugendinstitut (DJI)
Kunkel, P.-C.; Kepert, J.; Pattar, A.K. [Hrsg.] (2017): LPK SGB VIII - Lehr- und Praxiskommentar SGB VIII, 8. Auflage, Baden-Baden: Nomos.
Möller, Winfried (Hrsg.) (2021). Praxiskommentar SGB VIII. 3. Auflage. Köln: Reguvis.
Münder, Johannes, Meysen, Thomas & Trenczek, Thomas (Hrsg.) (2018). FK-SGB VIII – Frankfurter Kommentar zum SGB VIII. 8. Auflage. Baden-Baden: Nomos.
Wabnitz, R. [Hrsg.] (2021): GK-SGB VIII Gemeinschaftskommentar zum SGB VIII, Loseblattsammlung, Köln: Luchterhand
Wiesner, R. [Hrsg.] (2015): SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe Kommentar, 5. Auflage, München: Beck
Kindler, H.; Lillig, S.: Was ist unter „gewichtigen Anhaltspunkten“ für die Gefährdung eines Kindes zu verstehen? In: IKK Nachrichten 1-2.; 2006: § 8a SGB VIII – Herausforderung bei der Umsetzung, Seite 16-19
Kindler, H.; Lillig, S.; Blüml, H.; Meysen, T.; Werner, A. [Hrsg.]: Handbuch Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB und Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD), Deutsches Jugendinstitut (dji), München 2006
Kronseder, D. (2010): Die Strafbarkeit von Mitarbeitern des Jugendamtes bei häuslicher Kindeswohlbeeinträchtigung, Marburg: Tectum
Schmidtchen, Stefan (1989). Kinderpsychotherapie. Stuttgart: Kohlhammer.
Schone, Reinhold & Tenkhaken, Wolfgang (2015). Kinderschutz in Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe. 2. Auflage. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.
Ziegenhain, U.; Fegert, J. [Hrsg.] (2008): Kindeswohlgefährdung und Vernachlässigung. München.
- Zusammenhang mit anderen Modulen
Das Modul ist Teil des Schwerpunktes „Kinderschutz“ und steht damit in Zusammenhang mit den Modulen „Umsetzung des Schutzauftrags durch den öffentlichen Jugendhilfeträger unter Beachtung öffentlicher Verwaltungssstrukturen im Kinderschutz“ und „Netzwerkarbeit und Digitalisierungsprozesse im Kinderschutz“. Es bereitet insbesondere auf die Module „Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit: Sozialräumliche Methoden und Konzepte“, „Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit: Multiperspektivische Fallarbeit und Beratung“ sowie „Wissenschaftliches Praxisprojekt“ vor.
- Verwendbarkeit nach Studiengängen
- Soziale Arbeit
- Soziale Arbeit, B.A. (01.09.2024)
- Modulpromotor*in
- Radewagen, Christof
- Lehrende
- Radewagen, Christof