Ethische Reflexion in den Versorgungsbereichen der Hebamme – Zukunft mitgestalten

Fakultät

Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WiSo)

Version

Version 1 vom 13.11.2024.

Modulkennung

22B7019

Niveaustufe

Bachelor

Unterrichtssprache

Deutsch

ECTS-Leistungspunkte und Benotung

5.0

Häufigkeit des Angebots des Moduls

nur Sommersemester

Dauer des Moduls

1 Semester

 

 

Besonderheiten des Moduls

Einordnung in berufsgesetzliche und Vorgaben:
HebStPrV Anlage 1, II. 2.
HebStPrV Anlage 1, V. 3.
HebStPrV Anlage 1, VI. 3.
HebStPrV Anlage 1, VI. 4. 
HebStPrV Anlage 1, VI. 5.

Anteilige Einordnung in Europarechtliche Vorgaben an die Ausbildung von Hebammen, Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen
Anhang V.5, 5.5.1 A. b. 

Kurzbeschreibung

In Handlungsfeldern von Hebammen gehen ethische Fragestellungen maßgeblich auf die zunehmenden medizinisch-technischen Möglichkeiten und eine globalisierte Welt zurück und werfen an der Schnittstelle zwischen Individuum und Gesellschaft zentrale Fragen auf. Auf Basis der Erfahrungen bisheriger Entwicklungen der Geburtshilfe werden zukünftige Entwicklungen, insbesondere die Digitalisierung im Gesundheitssystem, unter der Perspektive einer ethischen Reflexion kritisch konstruktiv diskutiert und Möglichkeiten werden visioniert.

Hebammen benötigen aufgrund existentieller Fragen im Kontext geburtshilflicher Dilemmata die Fähigkeit zu einer reflektierten ethischen Positionierung, Abstraktionsfähigkeit und einen reflektierten professionellen Bezug zu ihrer aktuellen und zukünftigen Versorgungspraxis, um diese aktiv mitzugestalten. Dazu setzen sich die Studierenden mit den Einflüssen auf ethische Problematiken und der Komplexität ethischer Entscheidungen theoriegeleitet, reflexiv und multiperspektivisch auseinander. Die Bereitschaft zur Reflexion und Persönlichkeitsentwicklung wird als Grundlage beruflicher Handlungsfähigkeit und beruflicher Zufriedenheit in ethisch bedeutsamen Handlungssituationen notwendig. In diesem Modul vertiefen die Studierenden die kommunikativen Kompetenzen im Miteinander und unter der besonderen Bedeutung von differierenden Werthaltungen.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen wird politisch gefördert und schreitet voran. Sie hält Möglichkeiten für die Versorgung von Frauen und Kindern bereit und wirft Fragen für die Arbeit von Hebammen im Krankenhaus und außerklinisch auf. 

Lehr-Lerninhalte

1. Grundlagen und Grundsätze der Ethik 
  1.1 Ethische und moralische Problemfelder und Fragestellungen im Kontext der reproduktiven Lebensphase (u.a. in den Bereichen Reproduktionsmedizin, Pränataldiagnostik, Schwangerschaft, Geburt, Frühgeburt/ Frühgeborene, Krankheit, Behinderung und Tod)
  1.2 Ethische Entscheidungsfindung
  1.3 Faktoren ethischer Problemstellungen 
  1.4 Kommerzialisierung- Medikalisierung- Technisierung- Digitalisierung im Spannungsfeld ethischer Reflexionen 

  • Folgen der Kommerzialisierung der Geburtshilfe
  • Chancen und Folgen von medizintechnologischem Einsatz in der Geburtshilfe
  • Möglichkeiten und Perspektiven der Digitalisierung in der Geburtshilfe
  • Ethische Reflexion der Digitalisierung in der Geburtshilfe

2. Institutionen und Instrumente ethischer Entscheidungsfindung
3. Ethisch orientierte Versorgungspraxis
  3.1 Die Ethik für Hebammen in ihrer berufspraktischen Bedeutung
  3.2 Prinzipien ethisch orientierter Versorgungspraxis - Care Ethik
  3.3 Implikationen und Potential ethisch orientierter Versorgungspraxis
4. Ethik der Nachhaltigkeit 
  4.1 Umweltethische Fragen in den Handlungsfeldern der Hebamme
  4.2 Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit im Kontext der beruflichen Handlungsfelder der Hebamme
5. Digitalisierung im Gesundheitswesen 

  • Digitale Patient*innenakte
  • Digitale Gesundheitsleistungen und -anwendungen
  • Digitales Krankenhaus
  • KI in der geburtshilflichen Versorgung
  • Das Lernende Gesundheitssystem
  • Telemedizin und Telemonitoring 

6. Zukunftsperspektiven – Entwicklung und Innovation: Digitalisierung im kritisch-reflexiven Diskurs und Kontext beruflichen Handelns, beruflicher Professionalisierung und Persönlichkeitsentwicklung  
7. Zukunftsverantwortung von Hebammen und Hebammenwissenschaft

Gesamtarbeitsaufwand

Der Arbeitsaufwand für das Modul umfasst insgesamt 150 Stunden (siehe auch "ECTS-Leistungspunkte und Benotung").

Lehr- und Lernformen
Dozentengebundenes Lernen
Std. WorkloadLehrtypMediale UmsetzungKonkretisierung
60SeminarPräsenz-
Dozentenungebundenes Lernen
Std. WorkloadLehrtypMediale UmsetzungKonkretisierung
40Literaturstudium-
30Veranstaltungsvor- und -nachbereitung-
20Prüfungsvorbereitung-
Weitere Erläuterungen

Die Lehr- und Lernformen fokussieren auf Wissen aneignende, Studierenden aktivierende und lernbegleitende Lehr-Lernformen. Vor dem Hintergrund der Inhalte und der Ziele des Moduls sowie eines kontinuierlichen Praxis- und Wissenschaftsbezuges sind folgende Methoden geeignet / zu empfehlen: Gruppenarbeit, Einzelarbeit, Textarbeit, Diskussionen, Vorträge, studentische Beiträge, Fallarbeit.

Benotete Prüfungsleistung
  • Präsentation oder
  • Fallstudie (schriftlich) oder
  • Referat (mit schriftlicher Ausarbeitung)
Prüfungsdauer und Prüfungsumfang

Präsentation: i.d.R. 15-20 min. unter Verwendung medialer Darstellungsmethoden
Fallstudie, schriftlich: i.d.R. 10-15 Seiten
Referat: i.d.R. 10-15 min. mit schriftlicher Ausarbeitung von 8-10 Seiten

Empfohlene Vorkenntnisse

Formale Voraussetzungen für die Zulassung zu den Prüfungsleistungen in diesem Modul sind: der Erwerb von 70 LP im ersten Studienabschnitt, das erfolgreiche Absolvieren der Praxismodule 1 und 2 sowie das erfolgreiche Absolvieren folgender Theoriemodule: „Biomedizinische Grundlagen in der Entwicklungsdynamik der physiologischen Schwangerschaft“, „Die Schwangere im physiologischen Verlauf in der Hebammenversorgung“, „Die Gebärende im physiologischen Verlauf in der Hebammenversorgung“ und „Die Frau und das Kind nach der Geburt im physiologischen Verlauf in der Hebammenversorgung“ (Prüfungsordnung im Bachelorstudiengang Hebammenwissenschaft § 4).

Wissensverbreiterung

Die Studierenden

  • können ethische Problemfelder in ihrer beruflichen Handlungspraxis identifizieren
  • können die Einflüsse, die zu ethisch relevanten Problemstellungen im Kontext der reproduktiven Lebensphase führen, identifizieren
  • können Institutionen und Verfahren ethischer Entscheidungsfindung benennen
  • können ethische Grundpositionen differenzieren
  • können aktuelle und zukünftige digitalisierte Angebote und Arbeitsformen und ihre Einflüsse identifizieren

Wissensvertiefung

Die Studierenden

  • können die Fähigkeit des Perspektivwechsels nutzen, um in ethischen Fragestellungen die Komplexität einer Handlungssituation zu erfassen
  • sind in der Lage theoriegeleitet und wissenschaftlich begründet ethische Entscheidungssituationen zu erkennen und zu analysieren
  • können digitale Prozesse und Angebote im Hinblick auf Vor- und Nachteile für einzelne Gruppen analysieren

Wissensverständnis

Die Studierenden

  • sind in der Lage die Entstehung ethischer Dilemmata im Kontext der reproduktiven Lebensphase, die Besonderheiten ethischer Dilemmata und Entscheidungen im Kontext der Einheit von Mutter und Kind zu bestimmen und zu erläutern
  • analysieren die Übertragung ethisch orientierter Versorgungspraxis auf ethische Problemlagen
  • sind in der Lage ethische Dilemmata im Kontext von Frauenrechten zu diskutieren
  • reflektieren an den Erfahrungen von Medikalisierung und Technisierung die Zukunft der Digitalisierung in der Geburtshilfe
  • können Maßnahmen zur Vermeidung von Benachteiligung durch Digitalisierung und Qualitätskriterien für den Einsatz digitaler Angebote identifizieren

Nutzung und Transfer

Die Studierenden

  • sind in der Lage Frauen und Familien in moralischen Konflikt- und ethischen Dilemmasituationen zu begleiten, dabei orientieren sie sich an ihrer Berufsethik, an der Autonomie und Selbstbestimmung der Frau und an den Menschenrechten
  • entwickeln und begründen theoriegeleitet Lösungen für ethische Problemstellungen
  • sind in der Lage Versorgungsangebote durch digitalisierte Angebote zu ergänzen und zu stärken
  • setzen digitale Möglichkeiten zum Wohl der Frauen und Familien und zur Verbesserung der eigene Hebammentätigkeit ein

Wissenschaftliche Innovation

Die Studierenden

  • leiten Forschungsfragen aus wissenschaftlicher Literatur zu Themenbereichen der Medikalisierung, Technisierung und Digitalisierung in der Geburtshilfe ab
  • leiten Bedarfe digitaler Angebote aus der Literatur ab
  • analysieren und visionieren digitale Anwendungsbereiche im Kontext der reproduktiven Lebensphase und für berufliche Handlungssituationen
  • entwickeln Qualitätsindikatoren digitaler Angebote 

Kommunikation und Kooperation

Die Studierenden

  • können komplexe ethische Dilemmata der beruflichen Praxis im Diskurs mit anderen Studierenden erörtern
  • können auf Grundlage ethischer Positionen argumentieren
  • vertreten berufliche ethische Positionen gegenüber unterschiedlichen Personen und Zielgruppen
  • entwickeln kritisch konstruktiv Lösungsansätze für unterschiedliche ethische Entscheidungssituationen
  • können ethische Fragestellungen mit unterschiedlichen Personen und Zielgruppen (Eltern, Hebammen, Ärzt*innen, Politiker*innen) erörtern
  • sind in der Lage andere Meinungen, Standpunkte und ethische Grundhaltungen kennenzulernen, anzuhören, zu hinterfragen und auszuhalten
  • sind in der Lage ihre Meinung zu korrigieren, wenn sie persönlich zu neuen Schlüssen kommen

Wissenschaftliches Selbstverständnis / Professionalität

Die Studierenden

  • können Toleranz gegenüber anderen Haltungen zeigen und Ambiguitätstoleranz entwickeln
  • sind in der Lage sich in ethischen Fragestellungen ein begründetes Urteil zu bilden
  • können die Bedeutung ethischer Berufsgrundlagen für die eigene Handlungspraxis und die berufliche Identitätsbildung reflektieren
  • vertreten die aktuellen und zukünftigen reproduktiven Belange von Menschen in einer nachhaltig gesellschaftlichen Verantwortung
  • übernehmen persönliche Verantwortung für eine nachhaltige Berufsausübung
  • entwickeln digitale Fähigkeiten und Fertigkeiten zur professionellen Berufsausübung weiter

Literatur

Die Literaturliste umfasst Vorschläge, die durch die Lehrenden ausgewählt, aktualisiert und erweitert werden:

Anzenbacher, A. (2012): Einführung in die Ethik. 4. Auflage, Düsseldorf: Patmos

Belobrow, N., Wicklein, M., Peter, E., Kubik, M.-T. (2014): Recht auf Leben – von Anfang an? Pränatale Diagnostik und Präimplantationsdiagnostik aus medizinischer, rechtlicher und ethischer Perspektive. Science Factory. München: GRIN

Bleisch.B. u. Büchler, A. (2020): Kinder wollen. Karl Hanser Verlag

Schockenhoff, E. (2013): Ethik des Lebens. Grundlagen und neue Herausforderungen. 2. Auflage, Freiburg: Herder

Böttinger, E. u. Putlitz, J. zu (Hrsg.) (2019): Die Zukunft der Medizin: Disruptive Innovationen revolutionieren Medizin und Gesundheit. Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Conradi, E. u. Vosman, F. (Hrsg.) (2016): Praxis der Achtsamkeit – Schlüsselbegriffe der Care-Ethik. Frankfurt am Main: Campus

Ensel, A. (2002): Hebammen im Konfliktfeld der Pränatalen Diagnostik. Zwischen Abgrenzung und Mitleiden. HGH Schriftenreihe 10. Karlsruhe: Hebammengemeinschaftshilfe e.V.

Gruber, H.-G. (2009): Ethisch denken und handeln. Grundzüge einer Ethik der Sozialen Arbeit. 2. aktualisierte und verbesserte Auflage. Kornwestheim: Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft 

Haring, R. (2018): Gesundheit digital. Berlin: Springer

Heffels, W.M. (2021): Ethisch handeln in Helfenden Berufen: Eine handlungsorientierte Einführung. Stuttgart: Kohlhammer 

Hille, H. (2011): Hauptsache gesund? Ethische Fragen der Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik. München: Kösel-Verlag

Jones, S. R. (2003): Ethik und Hebammenpraxis. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Verlag Hans Huber

Jorzig, A. u. Sarangi, F. (2020): Digitalisierung im Gesundheitswesen – ein kompakter Streifzug durch Recht, Technik und Ethik. Berlin: Springer Nature

Maio, Giovanni (2018): Werte für die Medizin. 2. Auflage. Kösel Verlag

Maio, Giovanni (2017): Mittelpunkt Mensch- Lehrbuch der Ethik in der Medizin. Mit einer Einführung in die Ethik der Pflege. Schattauer

Maio, Giovanni (2014): Geschäftsmodel Gesundheit - Wie der Markt die Heilkunst abschafft. Suhrkamp

Maier, B. (2013): Ethik in der Gynäkologie und Geburtshilfe: Entscheidungen anhand klinischer Fallbeispiel. Berlin: Springer

Pagels, J. (2011): Pränataldiagnostik. Wissen, was stimmt. Freiburg: Verlag Herder

Posenau, A., Deiters, W., Sommer, S. (Hrsg.) (2019): Nutzerinnenorientierte Gesundheitstechnologien: im Kontext von Therapie und Pflege. Bern: Hofgrefe

Pufe, I. (2017): Nachhaltigkeit. 3., überarbeitete Auflage. Stuttgart: Utb

Schockenhoff, E. (2013): Ethik des Lebens: Grundlagen und neue Herausforderungen. 2., aktualisierte Auflage. Freiburg im Breisgau: Herder 

Schübel, T. (2015): Grenzen der Medizin: Zur diskursiven Konstruktion medizinischen Wissens über Lebensqualität. Wiesbaden: Springer VS

Steger, F., Ehm, S., Tchirikov, M. (2014): Pränatale Diagnostik und Therapie in Ethik, Medizin und Recht. Berlin: Springer 

Stegler, F. u. Orzechowski, M. (2018): Pränatalmedizin: ethische, juristische und gesellschaftliche Aspekte. Verlag Karl Alber

Tariverdian, G. u. Paul, M. (2012): Genetische Diagnostik in Geburtshilfe und Gynäkologie: Leitfaden für Klinik und Praxis. Berlin: Springer 

Wassermann, K. u. Rohde, A. (2009): Pränataldiagnostik und psychosoziale Beratung. Aus der Praxis für die Praxis. Stuttgart: Schattauer Verlag

Weber, K., Frommeld, D., Manzeschke, A., Fangerau, H. (2015): Technisierung des Alltags: Beitrag für ein gutes Leben? Stuttgart: Franz Steiner Verlag 

Zusammenhang mit anderen Modulen

Zum Besuch des Moduls sollten inhaltlich genaue Kenntnisse des Berufsspektrums, des beruflichen Handlungsfeldes und fundierte Kenntnisse der Berufsethik vorhanden sein. Parallel zu diesem Modul befassen sich die Studierenden im Modul „Komplexes Fallverstehen I – praktische Geburtshilfe im rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Rahmen“ mit den rechtlichen Normen und können rechtliche, ethische und gesellschaftliche Bedingungen in Verbindung setzen. Die Kompetenzen in moralischen und ethischen Konflikt- und Dilemmasituationen sind vorbereitend für die Kompetenz des hermeneutischen Fallverstehens (Modul „Komplexes Fallverstehen II – Versorgungsbereiche der Hebamme“), da ethische Fragestellungen häufig Anlass für die Analyse von realen Fallsituationen aus der Praxis bieten.

Verwendbarkeit nach Studiengängen

  • Hebammenwissenschaft
    • Hebammenwissenschaft B. Sc. (01.09.2021)

    Modulpromotor*in
    • Hellmers, Claudia
    Lehrende
    • Hellmers, Claudia
    Weitere Lehrende

    Dozent*innen für: Hebammenwissenschaft Kommunikation, Medieninformatik und Digitalisierung Medizinethik Theologie