Krankenhauszukunftsgesetz: Krankenhäuser wollen Qualität durch Digitalisierung steigern Mittwoch, 13. Oktober 2021
Umfassende Umfrage: Die meisten Häuser in Deutschland stellen einen Förderantrag
Eine jüngste Blitzumfrage der Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen der Hochschule Osnabrück bestätigte die Erwartungen, nämlich ein großes Interesse der Krankenhäuser, sich an der Ausschreibung des deutschen Krankenhauszukunftsgesetzes zu beteiligen. Dieses stellt Krankenhäusern Finanzierungshilfen für den Ausbau der Digitalisierung von insgesamt 4,3 Milliarden Euro in Aussicht. Von den 157 Krankenhäusern aus allen Regionen Deutschlands, unterschiedlicher Größen und Trägerschaften, die an der Befragung teilnahmen, haben oder planen 98,1 Prozent mindestens einen Antrag zu stellen.
Digitalisierung soll Mehrwerte schaffen: Versorgungsqualität auf Platz 1
Ihre hauptsächliche Motivation liegt neben der operativen Verbesserung des aktuellen Standes der Digitalisierung (Rang 2) und Technik (Rang 3) in erster Linie in der Steigerung der Qualität (Rang 1), aber auch der Effizienz (Rang 4). Dies zeigt, dass Krankenhäuser klare Vorstellungen von Mehrwerten entwickelt haben und Technik und Digitalisierung nicht als Selbstzweck erachten.
Favoriten: Dokumentation, Aufnahme- und Entlassmanagement sowie Medikationsmanagement
Aus den 11 Fördertatbeständen wählten die teilnehmenden Krankenhäuser deutliche Schwerpunkte aus. Zu den Favoriten gehörten in der Reihenfolge der Nennungen digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation (95,5%), Patientenportale (79,9%), digitales Medikationsmanagement (73,4%) und IT-Sicherheit (56,5%). Diese Schwerpunkte zeugen von einem Hauptinteresse an interner Dokumentation und den internen Prozessen rund um die Medikation, an einem nahtlosen Management der Patienten an den Einrichtungs- und Sektorengrenzen sowie einer Schaffung von Grundlagen einer sicheren Informationsverarbeitung über eine gute IT-Sicherheit. Anpassung von Patientenzimmern, Versorgungsnachweissystem für Betten sowie die Abstimmung mehrerer Krankenhäuser landeten auf den letzten Plätzen.
Entscheidungsunterstützung und Medikationsmanagement mangelhaft
Aufschluss über die aktuelle Situation geben auch die Informationen zu der Erfüllung von Muss- und Kann-Kriterien zu den Fördertatbeständen. Die Muss-Kriterien sind diejenigen Kriterien, die durch die Förderung erfüllt werden müssen. Absolut betrachtet erfüllen die Krankenhäuser in folgenden Fördertatbeständen in der Mehrheit, d.h. 50% und mehr, nach eigenen Aussagen viele oder fast alle Kriterien: Anpassung von Patientenzimmern (Rang 1 mit 66,7%), digitale Leistungsanforderung (Rang 2 mit 65,3%), Notaufnahme (Rang 3 mit 63,5%) und IT-Sicherheit (Rang 4 mit 51,9%). Am unteren Ende der bereits erfüllten Muss-Kriterien firmieren die Themen Patientenportale (23,9%), Entscheidungsunterstützungssystem (27,9%), Versorgungsnachweis für Betten (30%) und digitales Medikamentenmanagement (34,9%).
Aufnahme- und Entlassmanagement sowie Medikationsmanagement sollen besser werden
Bei der gemeinsamen Betrachtung der Anzahl der Anträge und Erfüllung von Muss-Kriterien zeigt sich, dass es Fördertatbestände gibt, für die bislang nur wenige Muss-Kriterien erfüllt werden und deshalb viele Krankenhäuser einen Antrag stellen, um einen Sprung nach vorne zu unternehmen. Dies gilt für Patientenportale, in denen das Aufnahme-, Entlass- und Überleitungsmanagement digital unterstützt werden soll. Ähnliches gilt für das digitale Medikationsmanagement. Andererseits gibt es andere Fördertatbestände, insbesondere die digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation, bei der von den antragstellenden Krankenhäusern bereits jetzt viele (73%) mindestens die Hälfte der Muss-Kriterien erfüllen. Obwohl dies der Fall ist, werden trotzdem für diesen Bereich die meisten Anträge (95,5% der beantragenden Krankenhäuser) gestellt. Schließlich gibt es geförderte Themen, in denen die Krankenhäuser eher nicht die Muss-Kriterien erfüllen, aber dennoch die Anzahl der Anträge sich nur im mittleren Bereich bewegt. Dies gilt besonders für Entscheidungsunterstützungssysteme, für die nur 44,2% der Krankenhäuser einen Antrag stellen wollen, obwohl nur 27,9% der Krankenhäuser viele oder fast alle Muss-Kriterien erfüllen.
Ambitionierte Vorhaben
Die Betrachtung der Muss-Kriterien kann an den Kann-Kriterien gespiegelt werden, deren Erfüllung angestrebt wird und deren Erfüllung ein Hinweis auf die Motivation der Krankenhäuser ist, sich in diesem Umfeld besonders zu engagieren. Die Reihenfolge der Fördertatbestände, für die fast alle oder viele Kann-Kriterien erfüllt werden sollen, stellt sich wie folgt dar: Versorgungsnachweissystem für Betten (87,5%), Anpassung von Patientenzimmern (85,7%), IT-Sicherheit (71,4%), digitale Leistungsanforderung (65,2%), telemedizinischen Verfahren (60,5%), Notaufnahme (58,3%), digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation (57,9%), digitales Medikamentenmanagement (50,5%) und Abstimmung mehrerer Krankenhäuser (50,0%). Ein methodisches Caveat besteht für die Fördertatbestände, in denen nur wenige Krankenhäuser geantwortet haben.
Die Erfüllung der Muss- und das Anstreben der Kann-Kriterien kann konkordant laufen wie im Falle der Anpassung von Patientenzimmern, der digitalen Leistungsanforderung, Notaufnahme und IT-Sicherheit. Dies weist darauf hin, dass Krankenhäuser sich im Detail verbessern wollen. Sie kann aber auch dissoziiert verlaufen, nämlich, dass Muss-Kriterien eher noch nicht erfüllt werden, aber fast alle oder viele Kann-Kriterien umgesetzt werden sollen, wie dies beispielsweise für Versorgungsnachweis für Betten und digitales Medikamentenmanagement gilt. Mit diesen Anträgen soll also eine Vielzahl von Muss- und Kann-Kriterien gleichzeitig praktisch umgesetzt werden.
Krankenhauszukunftsgesetz: Es gibt viel zu tun
Die Übersicht über die Muss-Kriterien weist darauf hin, dass es nur vier von elf Bereichen gibt, in denen eine Mehrheit von Krankenhäusern, die meisten der geförderten Systeme und Anwendungen im Einsatz hat. Interessanterweise gibt es eine Disparität zwischen deutschen Krankenhäusern und Krankenhäusern in anderen Ländern bezüglich der entscheidungsunterstützenden Systeme. Deutschland scheint wenig Interesse daran zu haben, was dem internationalen Trend widerspricht. Gerade vor dem Potenzial von Prognosealgorithmen der Künstlicher Intelligenz und Big Data erstaunt dieser Befund.
Zusammenfassend weist die Umfrage darauf hin, dass es grundsätzlich noch vieles zu erreichen gibt, was die Förderung durch das Krankenhauszukunftsgesetz bewirken kann. Diese Mehrwerte gilt es langfristig im Auge zu behalten.
Weitere Informationen
Die Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen an der Hochschule Osnabrück (Leitung Prof. Dr. Ursula Hübner) ist eine wissenschaftliche Einrichtung, die sich unter anderem seit mehr als 20 Jahren mit dem Bereich Digitalisierung, Reifegrad und Qualität von Gesundheits-IT und IT-gestützten Prozessen sowie mit IT-Adoptions- und Diffusionsforschung befasst. Sie gibt den IT-Report Gesundheitswesen heraus und führt internationale eHealth Benchmarks sowie Ländervergleiche durch.
Kontakt:
Denis Appelganz
E-Mail: denis.appelganz@hs-osnabrueck.de
Von: Isabelle Diekmann