Ist die Generation Z wirklich so anders als die Boomer?
Täglich sind wir von spannenden Wissenschaftsthemen umgeben. Mit dem Format „Wissenssnack“ möchten wir aktuelle wissenschaftliche Themen näher beleuchten und durch gezielte Fragen an unsere unterschiedlichen Expert*innen am Campus Lingen aufklären.
Das nachfolgende Interview hat Hochschul-Redakteurin Miriam Kronen mit Prof. Dr. Sabine Kirchhoff geführt. Sie ist Professorin für Presse- und Medienarbeit an der Fakultät Management, Kultur und Technik und Leiterin des Instituts für Kommunikationsmanagement. Im Jahre 2014 hat sie das Buch „Online-Kommunikation im Social Web“ herausgegeben und darin unter anderem untersucht, ob es die so genannten „Digital Natives“ wirklich gibt. Dabei ist sie auch auf die Begriffe Generation Z und Boomer gestoßen.
Frau Professorin Kirchhoff, wie kommt es, dass in den Medien häufig die Generation Z mit den Boomern verglichen wird?
Das liegt daran, dass in der Gesellschaft rasch Unterschiede wahrgenommen werden und man sich fragt, wie diese zustande kommen. Grundsätzlich müsste mittlerweile aber allen klar sein, die sorgfältig recherchieren, dass es keine Belege für Unterschiede zwischen den Generationen gibt. Man vergleicht ja auch keine Kleinkinder mit zehnjährigen Schulkindern oder gar mit Jugendlichen. Da ist jedem sofort klar, wie unsinnig das ist. Aber es fällt einem überhaupt nicht auf, wenn man die Generation Z, also die zwischen 1997 und 2012 Geborenen, mit den Babyboomern (Anmerkung der Redaktion: zwischen 1950 und 1964 geboren) vergleicht.
Was bedeutet das genau?
Inzwischen weiß man aus seriösen Untersuchungen, dass die Unterschiede innerhalb einer Generation größer sind als die zwischen den Generationen. Was sich allerdings im Verlauf der Jahre stark ändert, sind die Rahmenbedingungen in der Gesellschaft. So ist beispielsweise der Arbeitsmarkt für gut ausgebildete Fachkräfte viel besser ist als noch vor dreißig Jahren. Sind die Rahmenbedingungen wiederum extrem gut - wie in den letzten Jahren in Deutschland - entsteht natürlich eine ganz andere Anspruchshaltung an die Berufswelt. Die veränderten Rahmenbedingungen gelten aber für alle Menschen, egal zu welcher Generation sie gehören. Weil sich das Generationenthema wegen der individuellen Betroffenheit aber gut vermarkten lässt, greifen die Medien die vermeintlichen Unterschiede zwischen den Generationen immer wieder auf gerne auf. Es werden zu oft Ad-hoc-Studien zitiert, die nicht repräsentativ sind. Dabei werden die Generationen in unlauterer Weise in Beziehung gesetzt und es entstehen generalisierte Aussagen.
Warum haben Sie sich als Kommunikationswissenschaftlerin mit der Generationenforschung beschäftigt?
Ich habe mich nicht in der klassischen Generationenforschung bewegt, aber ich bin als Kommunikationswissenschaftlerin auf die klassische Generationenforschung gestoßen. Vor ungefähr zehn Jahren waren die Begriffe „Digital Natives“ und „Digital Immigrants“ (Anmerkung der Redaktion: „digitaler Eingeborener“ und „digitaler Einwanderer“) in aller Munde. Das Bild von den „Digital Natives“ wurde von dem amerikanischen Bildungsberater und Education Consulter Marc Prensky geprägt. Er behauptete, dass die junge Generation in die digitale Welt hereingeboren wird und die Technik deshalb aus dem Effeff beherrscht. Im selben Aufsatz behauptete er ferner, dass sich ihre Gehirne so verändern, dass sie das automatisch können und ohne diese Geräte nicht mehr auskommen. Über die Digital Immigrants hingegen sagte Prensky, dass ihre Gehirne anders sind und sie die Technik nicht mehr beherrschen können und wollen. Heute wissen wir, dass das Gehirn neuroplastisch ist und jede und jeder in jedem Alter alles lernen kann, wenn er oder sie will. Ein schönes Beispiel hierfür ist der frühere US-Außenminister Henry Kissinger. Er hat mit 98 Jahren noch ein Fachbuch zu KI geschrieben.
Wieso existieren diese Generationen-Unterteilungen noch?
Prensky hat das Bild der „Digital Natives“ entwickelt, weil es sich gut verkaufen lässt und eine selbst geschaffene Nachfrage bedient. Heutzutage gibt es viele Agenturen, die Unternehmen beraten, wie sie mit der Generation Z umgehen sollen, weil sie ja angeblich so anders ist als alle anderen Generationen davor. Die Aussagen werden für gewöhnlich mit Allgemeinwissen unterfüttert, die dann wiederum zutreffen. Denn wir Menschen suchen bevorzugt nach Informationen, die unsere Sicht der Dinge bestätigen. Wir lesen beispielsweise eine Ad-hoc-Studie über die Unterschiede zwischen den Generationen, vergleichen sie mit unseren Erfahrungen und fühlen uns bestätigt. Es gibt aber in jeder Generation einen Anteil von Fleißigen, von Faulen, von Motivierten und Demotivierten.
Wie können wir das „Schubladendenken“ vermeiden?
Wir müssen uns und unsere Ansichten beständig hinterfragen. Ich weiß, dass das schwer ist. Denn wir alle haben unsere Macken, schauen aber lieber auf die Macken der anderen. Wenn wir uns hinsichtlich des Generationenthemas als Babyboomer, wie ich zum Beispiel, nicht von unserem Verhalten vor 40 Jahren leiten lassen, sondern uns stattdessen zum Beispiel fragen würden: Wie würde ich mich verhalten, wenn ich jung wäre und diese oder jene Möglichkeiten hätte? Dann wäre das zielführender. Ist es denn ein Wunder, dass in den 60iger Jahren und Anfang der 70iger Jahre mehr gelesen wurde? Schließlich gab es damals nur drei Fernsehsender und die haben nicht rund um die Uhr Beiträge ausgestrahlt. Wer weiß, ob ich Professorin wäre, wenn ich mit einem Smartphone aufgewachsen wäre. Ich hatte nur Bücher.
Bleiben wir also flexibel und nutzen unser Gehirn möglichst vielfältig, dann entlarven wir wahrscheinlich viele Stereotype und Vorurteile, ehe wir sie generalisieren und sorgen für ein gutes Miteinander zwischen Jung und Alt.
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für den Wissenssnack genommen haben.
Von: Miriam Kronen