Was ist Energy Harvesting?

Täglich sind wir von spannenden Wissenschaftsthemen umgeben. Mit dem Format „Wissenssnack“ möchten wir aktuelle wissenschaftliche Themen näher beleuchten und mit unseren Expert*innen an der Hochschule Osnabrück zusammen beantworten.
Susanne Lenjer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Osnabrück. Im Labor für Physik setzt sie in verschiedenen Versuchen Energy Harvesting ein und bietet Projekte für Studierende zu diesem Thema an.
Wie funktioniert Energy Harvesting?
Energy Harvesting bezeichnet die Gewinnung kleiner Energiemengen aus der Umwelt, um technische Geräte ohne externe Stromquelle oder Batterien zu betreiben. Dabei wird Energie genutzt, die ohnehin vorhanden ist – zum Beispiel Raumlicht, Abwärme oder mechanische Vibrationen.
Einige Taschenrechner arbeiten nach diesem Prinzip: Anstelle einer Batterie werden sie durch eine Solarzelle mit Energie versorgt. Die Solarzelle ist in diesem Fall der sogenannte Harvester, der die Energie umwandelt. Für andere Energieformen verwendet man andere Harvester, zum Beispiel thermoelektrische Generatoren für Abwärme oder Piezoelemente für Vibrationen.
Wo wird Energy Harvesting angewendet?
Energy Harvesting bietet spannende Möglichkeiten in der Medizintechnik: Die Energie des Herzschlags könnte genutzt werden, um Herzschrittmacher mit Strom zu versorgen. Blutzuckersensoren oder Insulinpumpen könnten ihre Energie aus Körperwärme oder Bewegungsenergie beziehen. Auch Mikrobatterien, die mit der Energie aus den im Körper vorhandenen Elektrolyten gespeist werden, sind denkbar. Das ist aber aktuell noch Zukunftsmusik.
In der Industrie wird Energy Harvesting dagegen schon angewendet. Drahtlose Sensoren, die mittels Energy Harvesting betrieben werden, ermöglichen die Überwachung von Prozessen ohne zusätzliche Verkabelung, Batteriewechsel oder Wartung. In vielen Fällen wird bereits Vibrationsenergie von Motoren genutzt, um Sensoren mit Strom zu versorgen, die den Motor überwachen. Auch Abwärme kommt als Energiequelle häufig zum Einsatz.
Welche Herausforderung gibt es beim Energy Harvesting?
Eine zentrale Frage ist, ob tatsächlich Energie gespart wird. Zwar entfällt die externe Stromversorgung, aber die Herstellung der notwendigen Elektronik selbst benötigt auch Energie und Ressourcen. Die Gesamtbilanz hängt daher von der jeweiligen Anwendung ab.
Außerdem ist der Bau von Energy-Harvesting-Systemen komplex und aufwendig: Welche Energie steht zur Verfügung – Licht, Vibrationen oder Wärme? Und wie kann sie am besten geerntet werden? Die Anpassung der Erntemethode an die jeweilige Anwendung erfordert eine sorgfältige Abstimmung der Elektronik.
Und schließlich soll das System auch dauerhaft funktionieren. Ist die Energiequelle konstant verfügbar, oder muss Energie gespeichert werden? Denn nur wenn das System dauerhaft zuverlässig arbeitet, kann sich Energy Harvesting langfristig als effiziente Alternative etablieren.
Energy Harvesting hat aber auch viele Vorteile: weniger Wartung und Batteriewechsel, Langlebigkeit, Kostenersparnis und Nachhaltigkeit. Insbesondere für kleine, autonome Geräte bietet diese Technologie eine effiziente und umweltfreundliche Energiequelle.
Von: Justine Prüne