Qualitätstomaten aus Niedersachsen: Forschungsverbund will Grundlagen für neue regionale Sorten legen Mittwoch, 23. November 2016
Hochschule Osnabrück, Universität Göttingen und Praxispartner aus dem Gartenbau wollen das meist importierte Frischgemüse regional stärken und vor allem geschmacklich verbessern. Ministerium für Wissenschaft und Kultur fördert den Verbund.
Tomaten mit neuen Qualitäten für das Land: Ein niedersächsisches Forschungsteam will im Verbund mit Partnern aus der Gartenbaupraxis die wissenschaftlichen Grundlagen schaffen, um qualitativ verbesserte und optimal angepasste Tomatensorten für den nachhaltigen regionalen und urbanen, also städtischen Anbau zu züchten. Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) gab Ende Oktober bekannt, das Projekt zu fördern. Die Fördersumme beträgt insgesamt knapp 800.000 Euro. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Hochschule Osnabrück, der federführenden Universität Göttingen und Praxispartner wie die im emsländischen Papenburg ansässige Gartenbauzentrale gehören zu den Beteiligten.
„Die Tomate ist in Deutschland das am häufigsten verzehrte Frischgemüse“, erläutert Prof. Dr. Andreas Ulbrich, Professor für Gemüseproduktion und -verarbeitung an der Hochschule Osnabrück. Etwa 70.000 Tonnen Tomaten werden derzeit jährlich in Deutschland produziert. Dazu kommt die zehnfache Menge an Importen, vor allem aus Spanien und den Niederlanden. In Niedersachsen produzierten im Jahr 2014 mehr als 150 Betriebe knapp 5.500 Tonnen. Zudem werden nach Schätzung von Projektbeteiligten Tomaten in mehr als 40 Betrieben ökologisch angebaut.
„Die überwiegend genutzten Kulturverfahren und Sorten sind auf eine Massenproduktion ausgelegt“, erläutert Ulbrich. Schnelles Wachstum, hohe Erträge und die Fruchtfestigkeit stehen im Vordergrund. Diese intensive Züchtung hat aber zugleich zu einer Verringerung an Geschmack und wertvollen Nährstoffen geführt. Gerade deshalb hat die Tomate – vereinfacht gesagt – ein Imageproblem, und die mangelhafte sensorische Qualität wird von Verbraucherinnen und Verbrauchern gern beklagt. Stichwort: „Holländische Wassertomate“.
Vor diesem Hintergrund und auch aufgrund der Tatsache, dass qualitätsorientierte Verbrauchergruppen zunehmend Wert auf Natürlichkeit, Authentizität und Regionalität legen, nimmt der Forschungsverbund nun seine Arbeit auf. Dazu zählt, mithilfe von molekularen Markern die Züchtung von Qualitätstomaten effizienter zu gestalten. Molekulare Marker sind eindeutig identifizierbare, kurze DNA-Abschnitte. Die Forscherinnen und Forscher versuchen nun herauszufinden, welcher Marker mit welcher Eigenschaft gekoppelt ist und letztendlich zum Beispiel für eine bestimmte geschmackliche Ausprägung steht. Die Entwicklung molekularer Marker für Leitsubstanzen, die den Geschmack positiv beeinflussen, würde ermöglichen, die entsprechenden positiven Ausprägungsformen von Genen gezielt in Sorten mit hohem Leistungspotenzial einzukreuzen. Vor allem geschmacklich sollen so regional und urban produzierte Sorten entstehen, die sich von importierten Früchten abgrenzen.
Im umfassend angelegten Projekt der Pflanzenzüchtung sind die Bereiche Wissenschaft, Züchtung, Produktion, Handel und Konsum verzahnt. Gemeinsam definieren die Beteiligten die Zuchtziele. Zum Forschungsvorhaben zählt beispielsweise auch, dass verschiedene Anbauvarianten erprobt werden. Alle gewonnenen Erkenntnisse sollen in ein geplantes „Kompetenznetz nachhaltiger und regionaler Tomatenanbau Niedersachsen“ einfließen.
Der genaue Titel des Projektes lautet „Partizipative Entwicklung von Qualitätstomaten für den nachhaltigen regionalen Anbau (PETRAq+n). Es zählt in der Förderlinie „Nachhaltige Agrarproduktion“ zu einem von fünf durch das MWK geförderten Forschungsverbünden. In den Jahren 2017 bis 2019 erhalten die Kooperationspartner der fünf Verbünde insgesamt drei Millionen Euro aus dem Niedersächsischen Vorab der VolkswagenStiftung.
Von: Holger Schleper