Wie können wir der häufigsten Verletzung im Fußball vorbeugen?
Täglich sind wir von spannenden Wissenschaftsthemen umgeben. Mit dem Format „Wissenssnack“ möchten wir aktuelle wissenschaftliche Themen näher beleuchten und mit unseren Expert*innen an der Hochschule Osnabrück zusammen beantworten.
Fußball ist gerade das Thema der Stunde, doch nicht nur Top-Fußballer sind daran interessiert, Verletzungen zu vermeiden, auch Nachwuchssportler befassen sich mit dem Thema Prävention. Prof. Dr. Dirk Möller forscht gemeinsam mit seinen Studierenden im Projekt Soccer Risk zu der häufigsten Verletzung im Fußball.
Dirk Möller ist Professor für Physiotherapie und Experte für angewandte Bewegungsanalyse und sensorgesteuerte Diagnostik. Er erklärt uns was die häufigste Verletzung im Fußball ist und was Teil seiner Forschung ist, um präventiv das Verletzungsrisiko der Fußballer*innen zu reduzieren.
Was ist die häufigste Verletzung im Fußball und was sind besondere Risikofaktoren?
Die häufigste Verletzung betrifft laut VBG-Sportreport für die Spielzeit 2020/2021 den Oberschenkel mit 25% aller aufgetretenen Verletzungen. Dabei ist insbesondere die hintere Oberschenkelmuskulatur mit Faserrissen oder Zerrungen betroffen. Interessant ist hier, dass als primärer Verletzungsmechanismus mit mehr als 50% sogenannte „Non-Contact“-Situationen beschrieben werden, also Verletzungen ohne direkten Einfluss des Gegenspielers wie zum Beispiel ein plötzlicher Richtungswechsel oder Sprinten.
Als gesicherte Risikofaktoren gelten laut einem Systematic Review, also einer Zusammenfassung der wissenschaftlichen Evidenz, das Alter des Spielers oder der Spielerin sowie das Vorhandensein einer vorherigen Hamstringverletzung. Weitere Risikofaktoren wie muskuläre Dysbalancen werden dort genannt, jedoch gibt es dazu keine einheitliche Evidenz in den inkludierten Studien des Reviews.
Was wollen Sie in Ihrem Projekt Soccer Risk herausfinden?
Wir wollen mit Hilfe von sensorbasierten, biomechanischen Testungen, physiotherapeutischen Untersuchungen und Fragebögen herausfinden, welche Risikofaktoren einen Einfluss auf die Entstehung von Hamstringverletzungen haben und wie diese Faktoren untereinander zusammenspielen. Das kann uns helfen, zielgerichtetere Präventions- und Rehabilitationsstrategien zu entwickeln und zu überprüfen, ob diese auch effektiv sind.
Und was machen Sie konkret in Ihrer Kooperation mit dem 1. FSV Mainz 05 und dem VfL Osnabrück?
Wir haben mit dem 1.FSV Mainz 05 und dem VfL Osnabrück zwei hervorragende Kooperationspartner gefunden, die mit uns im Nachwuchsbereich zusammenarbeiten. Dadurch haben wir die Möglichkeit, die Spieler der jeweiligen Nachwuchsmannschaften vor Saisonbeginn durch Pre-Saison-Testungen zu untersuchen. So schaffen wir es, eine gute Datengrundlage zu schaffen, um die aufgestellten Forschungsfragen beantworten zu können.
Inhalte der Testungen sind beispielsweise biomechanische Parameter wie die muskuläre Ansteuerung der unteren Extremität oder die motorische Kontrolle der Lendenwirbelsäule, aber auch Fragebögen zum Schlafverhalten, der Verletzungshistorie etc. Die Vereine selbst haben ein hohes Interesse an unserer Forschung, da sie die gewonnenen Informationen direkt in ihre Präventionsstrategien mit einfließen lassen können. Für unsere Studierende ist es zudem sehr spannend, ihre Abschlussarbeiten im Setting “Leistungssport Fußball” anzufertigen. So entsteht eine Win-Win-Situation sowohl für die Vereine wie auch für die Hochschule Osnabrück.
Das Forschungsprojekt hat noch eine längere Laufzeit: Haben Sie trotzdem schon einen Tipp für Nachwuchs- und Laienfußballer*innen, wie eine Oberschenkelverletzung unwahrscheinlicher wird?
Wir sind derzeit noch dabei, die ersten Daten auszuwerten. Was man aber schon sagen kann, ist, dass es einen Zusammenhang zwischen einer schlechteren motorischen Kontrolle der Lendenwirbelsäule und einer zunehmenden Veränderung der Aktivität der Muskulatur der unteren Extremität gibt. Das macht auch aus klinischer Sicht Sinn, da eine schlechtere Kontrolle der Lendenwirbelsäule in belastenden Momenten zu Kompensationsmechanismen führen kann. Das zeigt sich in der veränderten Ansteuerung der Muskulatur.
Inwiefern dieses mit dem Auftreten von Hamstringverletzungen zusammenhängt, wissen wir noch nicht. Das wollen wir uns im nächsten Schritt genauer anschauen. So gesehen wäre ein erster Tipp, ein
regelmäßiges Stabilisationsprogramm der Lendenwirbelsäule durchzuführen, um eben diesen pathophysiologischen Mechanismen entgegenzuwirken und dadurch ggf. die Verletzungshäufigkeit zu reduzieren.
Dirk Möller im Interview gibt es in diesem Video.
Von: Katharina Lutermann