Wissenssnack Dienstag, 27. August 2024

Was hat Verkehrsplanung mit Datenschutz zu tun?

Portrait eines jungen Mannes
Jan Kettler arbeitet im Projekt Intelligent Pendeln an der Hochschule Osnabrück (Foto: Hochschule Osnabrück).
Diese Visualisierung zeigt das Bewegungsmuster einer einzelnen Person.
Beispiel von Bewegungsmustern vieler Menschen in Osnabrück.

Täglich sind wir von spannenden Wissenschaftsthemen umgeben. Mit dem Format „Wissenssnack“ möchten wir aktuelle wissenschaftliche Themen näher beleuchten und mit unseren Expert*innen an der Hochschule Osnabrück zusammen beantworten.
Was genau Verkehrsplanung mit Datenschutz zu tun hat, erklärt uns Jan Kettler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Osnabrück, im Interview.

 

Was ist Verkehrsplanung?

Verkehr ist komplex: Unzählige Autos, Fahrräder, Busse, Fußgänger*innen, die sich durch die Stadt bewegen – allein in Osnabrück sind das etwa 160.000 Menschen täglich. Diese Bewegungsmuster zu verstehen und möglichst gut vorherzusagen ist eine eigene Wissenschaft, nämlich die Verkehrsplanung. Diese versucht die Stadt und die Verkehrswege möglichst gut an den Bedarf der Menschen anzupassen.

Warum ist Datenschutz in der Verkehrsplanung wichtig?

Zum einen brauchen wir Informationen über den Verkehr, wenn wir diesen verstehen und planen wollen. Das bedeutet wir sammeln erstmal Daten, vor allem über Bewegungsmuster. Das Problem ist, je genauer diese Daten sind, desto mehr Informationen bekomme ich über den Alltag einzelner Personen: Wo wohnt sie? Wo geht sie zum Arzt? Wo arbeitet sie? Welchen Sportverein besucht sie? All diese privaten Informationen kann ich aus dem Bewegungsmuster herauslesen, aber sie sind gar nicht relevant für die Verkehrsplanung. Und hier kommt der Datenschutz ins Spiel.

Wie kann man Verkehrsdaten anonymisieren?

Im Projekt Intelligent Pendeln (IIP) beschäftigen wir uns genau mit dieser Frage. Wir untersuchen Methoden, wie man persönliche Daten, die nicht relevant für die Verkehrsplanung sind, automatisiert herausfiltern kann. Das bedeutet beispielsweise, wenn jemand von zuhause zur Arbeit und danach zum Einkaufen geht, radiere ich die Information über die Ziele aus und behalte nur die Routen dazwischen. Denn das ist es ja, was mich interessiert. Im nächsten Schritt, wenn ich die Daten vieler sammele, kann ich zum Beispiel drei Pendelnde, die fast genau denselben Weg fahren, zu einer Gruppe zusammenfassen und mache Einzelpersonen damit anonym. Denn für die Verkehrsplanung ist es nicht relevant, wie ich mich im Einzelnen bewege, sondern, wie sich alle Menschen in einer Stadt als Gesamtbild bewegen. Es wird ja auch keine neue Buslinie für eine einzelne Person eingeführt werden. Aber wenn die Verkehrsplanung zeigt, dass viele Menschen zu ähnlichen Zeiten die gleichen Wege zurücklegen, dann vielleicht schon.

Wie funktioniert das automatisiert?

Man kann Menschen beispielsweise die Möglichkeit geben ihre Verkehrsdaten freiwillig zur Verfügung zu stellen. Das heißt dann Datenspende. Wir im IIP-Projekt setzten das über unsere IIP-Navigator-App um, die es ermöglicht Pendelstrecken besser zu planen. Dort kann man optional die freiwillige Datenspende aktivieren und die eigenen Verkehrsdaten zur Verfügung stellen. In der App werden dann direkt die persönlichen Daten ausradiert und nur die für die Verkehrsplanung relevanten Informationen weitergegeben. Das funktioniert mittels Algorithmen. Vereinfacht gesagt, benutzen wir die gleichen Algorithmen, die Facebook, Google und Co. nutzen, um persönliche Informationen in den Daten zu entdecken und genau diese Daten zu löschen. Dabei ist das Ziel, die daten schon bei ihrer Entstehung auszuradieren. Bei der weiteren Verarbeitung, wenn die Daten von mehreren Personen zusammenkommen, werden diese dann vereinheitlicht und Trends sichtbar gemacht.

Welche Herausforderungen gibt es dabei?

Bewegungsdaten sind einzigartig. Es gibt kaum etwas, was den Alltag einer Person so gut beschreibt, wie ihre Bewegungsdaten über einen langen Zeitraum. Und in der Verkehrsplanung bewegen wir uns daher immer in einem Spannungsfeld. Wir wollen einerseits brauchbare Daten mit einem hohen Informationsgehalt und andererseits die persönlichen Daten der einzelnen Personen bestmöglich schützen. Denn wenn wir die Daten so weit vereinheitlichen, dass wir nur sehen, dass sich 160.000 Menschen heute durch Osnabrück bewegt haben, dann sind die einzelnen Personen zwar super anonym, aber diese Daten haben keinen Mehrwert für uns.

Hier geht´s zum Video mit Jan Kettler.

Von: Justine Prüne