Zukunft der Landwirtschaft: Spot Farming mit autonomen Maschinen bietet großes Potenzial Dienstag, 1. Oktober 2024

Andreas Linz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Osnabrück, demonstrierte während der Abschlussveranstaltung des Forschungsprojekts „Zukunftslabor Agrar“ den Digitalen Zwilling zur Ermittlung von Bodenparametern. Im Hintergrund zu sehen ist die Forschungsplattform BoniRob. Fotos: ZDIN/ Uwe Lewandowski

Forschungsprojekt Zukunftslabor Agrar endet nach fünf Jahren: Digitalisierung der Landwirtschaft birgt Chancen, bedarf jedoch des Ausbaus.

Fünf Jahre lang untersuchten Forschungseinrichtungen aus Niedersachsen, darunter die Hochschule Osnabrück, im Projekt „Zukunftslabor Agar (ZLA)“, Aspekte einer zukünftigen digitalisierten Landwirtschaft. Im Fokus: Das Konzept Spot Farming, das ein Feld nicht als homogene Fläche behandelt. Sondern Teilstücke, zum Erhalt der Umwelt und zur Steigerung des Ertrags, unterschiedlich bepflanzt. Die komplexe Bewirtschaftung erfordert neuartige Maschinen, wie zum Beispiel Roboter. 
Im ZLA wurden die technischen Möglichkeiten untersucht. Gleichzeitig ergab eine Bestandsaufnahme: Es fehlt eine durchgängige Digitalisierung der Branche. Agrarbetriebe können verpflichtende Dokumentationen bei Behörden zum Teil nur per Post abliefern.

Das Konzept Spot Farming: Pflanzen dort anbauen, wo sie optimal gedeihen.
Spot Farming kehrt die gewachsene Denkweise in der Landwirtschaft um. Nutzpflanzen wie Mais oder Kartoffeln werden heutzutage, ausgerichtet auf die Schlagkraft großer Landmaschinen, auf weiten gleichförmig behandelten Feldern angebaut. Dünger und Pflanzenschutzmittel machen es möglich, Standortnachteile einzelner Pflanzen auf Böden oder Lagen auszugleichen und gute Erträge zu erzielen.

Professor Dr. Jens Wegener vom beteiligten Julius Kühn-Institut entwickelte 2017 die Idee des Spot Farming mit: „Künftig werden die Ressourcen für so eine pauschale Herangehensweise limitiert sein. Auch das Wetter führt durch den Klimawandel zu einer großen Herausforderung für den Pflanzenbau. Mit Spot Farming wird es möglich, unterschiedliche Pflanzen dort anzubauen, wo sie jeweils optimale Wachstumsbedingungen vorfinden. Damit werden sie resilienter, ertragreicher und wir schützen unsere Umwelt." Danach müsse sich auch die Technik ausrichten. Benötigt würden für die Spots kleinere Maschinen, Roboter.

Von der Theorie in die Praxis: Zukunftslabor Agrar testet Spot Farming
Bisher existiert der Ansatz aber nur in der Theorie. „Im ZLA sind wir auf dem Weg hin zur Realisierung von Spot Farming eklatante Schritte weitergekommen“, so Wegener. Das Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz am Julius Kühn-Institut entwickelte im ZLA unter anderem die agrarwissenschaftliche Methode, wie man Spots unterschiedlicher Wachstumsbedingungen in einem Feld, basierend auf öffentlich verfügbaren Geodaten, identifiziert. Zusammen mit Forschenden des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) entstand ein Tool, mit dem automatisiert Feldkarten mit Spots erstellt werden, die mit Robotern bewirtschaftet werden können.

Planbasierte Robotersteuerung ermöglicht neue Form der Landbewirtschaftung
Damit später einmal Spots auf dem Feld von Robotern angesteuert und bearbeitet werden können, müssen sich diese in ihrem Umfeld zurechtfinden. Die grundlegende Technologie dafür wurde im ZLA vom DFKI-Forschungsbereich Planbasierte Robotersteuerung vorangebracht. Forschende bauten eine semantische Karte mit Geo- und Umgebungsdaten eines realen Bauernhofs auf. Mittels dieser Karte konnte ein Roboter seine Umgebung wahrnehmen, verstehen, darin navigieren und autonom über den Betrieb fahren. Informationen, wie ein Feld beim Spot Farming aufgeteilt ist, könnten hier in Zukunft ebenfalls einbezogen werden.

Dazu sagte Informatikprofessor Joachim Hertzberg von der Universität Osnabrück, Sprecher des Projekts ZLA: „Roboter ermöglichen neue Prozesse in der Landwirtschaft. Durch das Projekt ZLA haben wir deutlich gesehen, dass das keine Fantasie ist. Die Technik kann zum Beispiel beim Spot Farming in Pflanzenbauprozessen eingesetzt werden, die mit den heute üblichen Maschinen nicht möglich sind.“

Digitaler Zwilling: Modellierung eines GPS-gesteuerten Roboters
Forschende der Hochschule Osnabrück erstellten das Modell eines Roboters zur Ermittlung von Bodenparametern. Der "Digitale Zwilling" verhält sich in einer Simulation nahezu so, wie sein Original auf dem Feld. Der Demonstrator, die Forschungsplattform BoniRob, misst GPS-gesteuert und voll autonom die Bodendichte und den Wassergehalt an verschiedenen Stellen auf dem Feld. In Bereichen mit einer hohen Dichte ist Wasser für die Pflanzen schlechter verfügbar, was Auswirkungen auf den Ertrag hat. Der Vorteil des Modells liegt auf der Hand: "Entwicklungsprozesse und Fehlerfindung können dadurch enorm beschleunigt werden. Zusätzlich fällt es leichter Prozesse mit anderen Forschungsgruppen auszutauschen und den Digitalen Zwilling in eine ganzheitliche Modellierung einzubinden", erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter Andreas Linz. Ein Beispiel dafür wäre Spot-Farming, wo die erzeugten Karten für die Navigation genutzt werden und erhobene Daten wiederum die Bepflanzungsstrategien beeinflussen können.

Tierwohl: Professionelle Nutztierhaltung braucht aussagekräftige Daten
Darüber hinaus war die Hochschule Osnabrück mit einem weiteren Teilprojekt am Zukunftslabor Agrar beteiligt: In dem vom Fachbereich Biologie der Universität Osnabrück und vom Fachgebiet Tierhaltung und Produkte der Hochschule Osnabrück bearbeiteten Teilprojekt lag ein Fokus darauf, Tierwohl digital gestützt zu messen. Üblicherweise wird eine Belastung von Tieren anhand von Laborwerten erfasst. „Hierfür müssen beispielsweise Blutproben gezogen werden, was aufwendig ist und die Tiere zusätzlich stresst. In diesem Projekt konnte gezeigt werden, dass Situationen ohne Kontakt zum Tier über Video-Technik rund um die Uhr sehr aussagekräftig interpretiert werden können – abgesichert durch parallele Labor-Messungen“, erklärte Prof. Dr. Robby Andersson, Professor für Tierhaltung und Produkte an der Hochschule Osnabrück.

System Nutztierhaltung: Belastung erfassen, ohne Stress auszulösen
Dafür wurde die Messung von Stresshormonen im Kot etabliert und mit dem erlebten Stress der Tiere in Bezug gesetzt. So kann ohne zusätzlichen Stress, ausgelöst durch direktes Handling am Tier, die Belastungssituation aussagekräftig erfasst und mit anderen bereits vorhandenen Daten verknüpft werden. Auf diese Weise ist es möglich, unterschiedliche Fehler im „System Nutztierhaltung“ auf Basis tierbezogener Daten frühzeitig zu erkennen. 

Es zeigte sich jedoch sehr schnell, dass die Qualität digital erfasster Daten von zahlreichen Rahmenbedingungen und Wechselwirkungen abhängt: Hierzu zählt der Ort der Installation von Sensoren, aber auch deren Alter und Pflege. Zwölf ZLA-assoziierte Projekte lieferten nützliche Ergebnisse bezüglich notwendiger Voraussetzungen, der aktuellen Praxisverfügbarkeit, des Status, der praktischen Umsetzung sowie notwendiger nächster Schritte.

Bürokratieabbau und Digitalisierung können Nutztierhaltung verbessern
Für das Projektteam steht fest, dass die Melde- und Aufzeichnungspflichten, die an verschiedenen Stellen aktuell mehrfach in unterschiedlichen Formaten, in unterschiedlicher Breite und Tiefe gefordert werden, im Zuge des Bürokratieabbaus und notwendiger Zeitersparnis zukünftig digital gestützt erfüllt werden müssen. Viele der anfallenden Daten könnten für die ständige Verbesserung der Nutztierhaltung im laufenden Herdenmanagement, gegebenenfalls unter Einbeziehung flankierender Datenerhebungen, genutzt werden: „Wenn ich messen kann, dann kann ich bewerten und zielführend lenken“, erklärte Andersson.

Das Forschungsprojekt Zukunftslabor Agrar
Das Forschungsprojekt Zukunftslabor startete im Oktober 2019 und wurde über das Zentrum für Digitale Innovationen Niedersachsen (ZDIN) vom Land Niedersachsen aus Mitteln des Fonds zukunft.niedersachsen mit einer Fördersumme von 3,7 Millionen Euro unterstützt. Neben dem DFKI und dem Konsortialführer Universität Osnabrück waren folgende Institutionen im Projekt Zukunftslabor Agrar involviert: Die Georg-August-Universität Göttingen, die Hochschule Osnabrück, das Julius Kühn-Institut, die Technische Universität Braunschweig, das Thünen-Institut, und die Universität Vechta.

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