Wie genau war Ihre Studie aufgebaut?
Die Idee zur Studie und auch die Daten stammen aus einer Bachelorarbeit, die meine ehemalige Studentin Louisa von Plettenberg bereits vor einiger Zeit bei mir geschrieben hat. Die Kandidatin entwickelte einen Fragebogen und ließ diesen online beantworten. So gelang es ihr, eine beachtliche Anzahl an Personen, nämlich 513 Probanden, zu befragen. Für quantitative Forschungen sind große Stichproben wichtig und dieses Kriterium war damit erfüllt.
Aufgrund der hohen Qualität der Datengrundlage und nach Einverständnis der Studentin habe ich mir die Daten mit einer Statistiksoftware genauer angeschaut und durch zusätzliche Verfahren weitere Muster erkannt. Die Ergebnisse habe ich anschließend auf einer wissenschaftlichen Konferenz vorgetragen und erstes Feedback von internationalen Kolleginnen und Kollegen eingeholt. So entstand nach und nach der jetzt veröffentlichte Artikel.
Mit welchen Hypothesen sind Sie in die Studie gestartet?
Wir sind von der Hypothese ausgegangen, dass das Impression Management sich positiv auf die Akzeptanz und wahrgenommene Fairness der Vorstellungsgespräche auswirkt. Mit diesem Fachbegriff meinen wir die soziale Präsenz, also das Gefühl, mit dem Gegenüber eine positive Beziehung aufbauen zu können sowie die Möglichkeit, sich in einem möglichst guten Licht darstellen zu können. Zudem haben wir die zwei Hypothesen untersucht, dass Digital Natives den Face-to-Face-Modus bei Vorstellungsgesprächen eher akzeptieren, allerdings videobasierte Interviews als fairer empfinden.
Welche Ergebnisse haben Sie überrascht?
Das Ergebnis, dass jüngere Bewerberinnen und Bewerber, also Mitglieder der sogenannten Generation Y und Generation Z, persönliche Vorstellungsgespräche im direkten Vergleich mit solchen, die per Videokonferenz durchgeführt werden, als weniger fair empfinden, ist neu und insofern schon überraschend. Bestehende Studien, die sich in der Vergangenheit eher auf die Generation X oder gar auf die Babyboomer bezogen haben, zeigen nämlich sehr konsistent, dass persönliche Interviews positivere Reaktionen hervorgerufen haben. Veränderungen in den Einstellungen und Werten jüngerer Generationen sowie technologische Weiterentwicklungen, die die Qualität von Videointerviews deutlich verbessert haben, können zu diesen neuen Erkenntnissen beigetragen haben. Interessant wäre nun noch zu klären, ob heute auch ältere Bewerberinnen und Bewerber ihre Einstellungen zu und Reaktionen auf Videointerviews verändert haben. Das war aber nicht Bestandteil unserer Studie und würde ein neues Forschungsdesign erfordern.
Ein theoretischer Hintergrund Ihrer Studie ist die Signalling-Theorie: Können Sie uns erklären, was es damit auf sich hat?
Die Signalling-Theorie erklärt, wie Menschen versuchen, Unsicherheit in Situationen zu reduzieren, in denen Informationen ungleich verteilt sind – wie beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt.
Gerade hier besteht eine große Informationsasymmetrie, da Bewerberinnen und Bewerber mehr Informationen über ihre Fähigkeiten haben als Arbeitgeber. Um diese Informationslücke zu schließen, senden die interviewten Personen Signale aus, die ihre Qualifikation und Eignung für eine Stelle belegen sollen.
Viele festgelegte Merkmale von Bewerberinnen und Bewerbern, wie zum Beispiele Alter und Geschlecht sind für Arbeitgeber recht einfach zu beobachten und zu validieren. Veränderbare Merkmale wie Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit oder Talent sind jedoch deutlich schwieriger zu beurteilen. Diese Eigenschaften signalisieren die Interviewten zum Beispiel durch Bildungsabschlüsse, Berufserfahrungen, bisherige Erfolge oder sogar durch ein spezifisches Auftreten.
So versuchen Kandidatinnen und Kandidaten zu zeigen, dass sie für eine vakante Stelle besser geeignet sind als andere. Letztlich kann somit Signalling aus Sicht der Bewerbenden ihre Chancen in einem Bewerbungsprozess erhöhen.
Haben Sie zum Schluss noch drei schnelle Tipps für Arbeitgeber, wie sie Vorstellungsgespräche mit den Digital Natives fair und angenehm gestalten können?
Sehr gern. Ich würde Arbeitgebern folgendes raten:
- Egal ob persönlich oder per Videocall: Eine angenehme Atmosphäre ist entscheidend. Die Bewerberinnen und Bewerber sollen sich wohlfühlen, offen sprechen und ihre Qualitäten signalisieren können.
- Die Akzeptanz von Videogesprächen kann erhöht werden, wenn mehrere Unternehmensvertreterinnen und -vertreter beim Gespräch dabei sind und wenn erklärt wird, warum dieses Format gewählt wurde.
- Ein mehrstufiges Bewerbungsverfahren, also die Kombination von einem Videogespräch plus einem persönlichen Vor-Ort-Gespräch, wird aus Sicht der Bewerbenden am besten beurteilt.
Hier noch der Link zur gesamten Studie: https://opus.hs-osnabrueck.de/frontdoor/deliver/index/docId/6604/file/Hofmann_2024_Digital_Natives.pdf
Von: Katharina Lutermann