PDM – Profilbildung durch Diversity-Management
Projektbeschreibung
Inhalt und Problembeschreibung
Aufgrund des breiteren Zugangs zu Hochschulbildung und der Diversifizierung der Gesellschaft stehen staatliche und private Hochschulen in Deutschland seit den Bildungsreformen Ende der 1960er Jahre zunehmenden Herausforderungen durch die Diversität ihrer Angehörigen gegenüber (Studierende, wissenschaftliches Personal, Verwaltung und Management, Professor*innen und Lehrpersonal; Auferkorte-Michaelis & Linde, 2016; Bargel 2014). Immer mehr Hochschulen nutzen daher Diversity-Management (Auferkorte-Michaelis & Linde, 2022), um durch Teilhabe und Gleichberechtigung Qualität und Effizienz in Lehre und Forschung zu gewährleisten, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und ihre Profilbildung voranzutreiben (Auferkorte-Michaelis & Linde, 2016). Im angelsächsischen Sprachraum konnten sich exzellente private Hochschulen als wissenschaftlich anspruchsvolle, aber Diversity-sensible Einrichtungen profilieren, obwohl der sozioökonomische Status eine Barriere an diesen Hochschulen darstellt (Rosinger et al., 2019). Aufgrund der niedrigeren Reglementierungsdichte hinsichtlich Budget, Organisationsentwicklung, Arbeitsplatz- und Studiengangsgestaltung, haben auch private Hochschulen in Deutschland das Potenzial eine Vorreiterfunktion für den Umgang mit Vielfalt im deutschen Hochschulsystem einzunehmen. Der Verband der privaten Hochschulen e. V. betont, dass private Hochschulen für Chancengerechtigkeit und Diversität im deutschen Bildungssystem stehen, indem sie Studienangebote öffentlicher Hochschulen erweitern, Studienangebote bieten, die mit diversen Lebenssituationen vereinbar sind und spezifische Zugangsvoraussetzungen ermöglichen (Hekking, 2018). Aufgrund eines Defizits an wissenschaftlich belastbarem Wissen zu Diversity-Management an privaten Hochschulen ist dieses Potenzial jedoch weder belegt, noch durch anwendungsbezogene Forschung erschlossen.
Die bisherige Forschung zeigt, dass sich Diversität an Hochschulen in demografischen Charakteristika (z. B. Migrationshintergrund, Alter), kognitiven Aspekten (Wissensstrukturen, Werte), fachlichen Unterschieden, der Funktionalität (Kompetenzen, Organisationskulturen, Kommunikation) sowie der institutionellen Zugehörigkeit zeigt (Higher Education Awareness for Diversity, HEAD-Modell; Gaisch & Aichinger, 2016). Dabei sind jeweils diejenigen Dimensionen von Diversität relevant, die für die beteiligten Akteur*innen in einer Organisation von Bedeutung sind (van Dick & Stegmann, 2016), oder die mit Herausforderungen verbunden sind. In der aktuellen Forschung wird primär die demografische Vielfalt betrachtet (Auferkorte-Michaelis & Linde, 2016). Insbesondere Menschen, die auf den Dimensionen ethnischer/kultureller Hintergrund, Alter und Geschlecht von prototypischen Vorstellungen (z. B. männliche, weiße, ältere Professoren) abweichen, erleben direkte und indirekte Formen von Diskriminierung und werden als vulnerable Gruppen betrachtet. Auch Studierende mit Beeinträchtigung und Menschen aus Nicht-Akademiker*innen-Familien müssen höhere Barrieren als andere überwinden, um zu studieren oder gute Noten zu erzielen. Neben den höheren Hürden, die Menschen aus vulnerablen Gruppen überwinden müssen, haben sie außerdem oft weniger Ressourcen, um auf Veränderungen zu reagieren, z. B. auf die Corona-Pandemie (Lörz et al., 2016; Zimmer et al., 2021). Die Folgen dieser Benachteiligung sind z. B. stärker ausgeprägte Studienabbruchintentionen von Menschen aus nicht-Akademiker*innen Familien in der Pandemie (Becker & Lörz, 2020) und höhere Studienabbruchquoten von Menschen mit Migrationshintergrund, trotz durchschnittlich stärker ausgeprägter akademischer Ambitionen (Bestrebungs-Leistungs-Paradoxon, Miyamoto, 2018). Erschwert werden diese Herausforderungen durch Intersektionalität, wenn Menschen aufgrund mehrerer Merkmalsausprägungen benachteiligt sind.
Zusammenfassend ist aus der aktuellen Forschung bekannt, dass Angehörige von Hochschulen durch Benachteiligung im Zugang zum Hochschulsystem, in der Lehre, der sozialen Interaktion am Campus, bei der Erbringung akademischer und wissenschaftlicher Leistung und dem Berufseinstieg ihr individuelles Leistungspotenzial tendenziell weniger entfalten. Aufgrund des zunehmend kompetitiv gestalteten Hochschulsektors stellt Diversity-Management daher ein zentrales Kriterium für Effizienz und Qualität von Lehre und Forschung sowie für die Profilbildung von Hochschulen dar. Für private Hochschulen bedeutet es außerdem, dass sie ihrem Anspruch, ein Studium für alle zu ermöglichen (Hekking, 2018) ohne Diversity-Management nicht gerecht werden (Hearn & Rosinger, 2014).