PDM – Profilbildung durch Diversity-Management
Stand der Forschung
Stand der Forschung
Erfolgreiches Diversity-Management erfordert ein fundiertes Verständnis der vorliegenden Formen von Diversität und etwaiger Benachteiligungen sowie ein Verständnis der Faktoren, die Veränderungsprozesse in einer Organisation bestimmen (Genkova et al., 2021). In der Wissenschafts- und Hochschulforschung verfügen die verschiedenen Fachbereiche dabei über unterschiedliche Zugänge, die das Herausbilden einer einheitlichen theoretischen Basis verhindern (Linde & Auferkorte-Michaelis, 2018). Aufgrund der zunehmenden Geschwindigkeit, mit der gesellschaftlicher Wandel stattfindet, besteht jedoch ein weitreichender Konsens, dass die Fähigkeit von Hochschulen zur eigenständigen und reflektierten Organisationsentwicklung eine zentrale Voraussetzung ist, die sich mittelfristig positiv auf den Umgang mit Diversität auswirken sollte (Linde & Auferkorte-Michaelis, 2018; Schwarz & Lilienthal, 2020).
Für deutsche und europäische private Hochschulen liegen keine Ergebnisse zu Gelingensbedingungen dieser Entwicklung vor. Im amerikanischen privaten Bildungssektor, der eine größere Bedeutung im nationalen Bildungssystem hat und stärker erforscht ist, zeigte sich, dass die Implementierung eines strategischen Plans für die Verankerung von Diversity im Hochschulprofil durch die Hochschulleitung ein zentraler Prädiktor des erfolgreichen Umgangs mit Diversity ist (Henderson, 2020; Rosinger et al., 2019). Darüber hinaus erwiesen sich die Allokation von Ressourcen für das Diversity-Management, das Commitment von Verwaltung und Leitungspersonal, sowie die Operationalisierung von Erfolgskriterien als wichtige Prädiktoren (Henderson, 2020). Diese Faktoren sollten sich auf die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen (Motivation und Fähigkeit) auswirken, sowie auf die Profilbildung.
Es besteht eine Forschungslücke, inwiefern die Relevanz dieser Faktoren aus dem Handlungsfeld Struktur an deutschen privaten Hochschulen vergleichbar ist. Die Ergebnisse sowie theoretische Betrachtungen deuten darauf hin, dass Diversity-Management an privaten Hochschulen tatsächlich als reiner top-down Prozess zu verstehen ist, der aber die lose gekoppelte Organisationsstruktur berücksichtigt (Buß & Stratmann, 2017). Die Erstellung und Umsetzung eines strategischen Plans erfordert Wissen über den Status-Quo von Benachteiligung und Potenzialen an den Hochschulen sowie Wissen bei Entscheidungstragenden über die Möglichkeiten zur Umsetzung von Entwicklung, über Innovationstragende, Zuständigkeiten und Flaschenhälse (Szczyrba, 2017). Eine erfolgreiche Entwicklung ist daher nur unter Berücksichtigung und Partizipation aller Gruppen von Akteur*innen möglich. Auferkorte-Michaelis und Linde (2022) sowie Gaisch et al. (2020) betonen daher die Notwendigkeit einer Entwicklung von Hochschulen hin zu einer lernenden Organisation. Sowohl in der Wirtschaft (Genkova & Schreiber, 2019) als auch an einer öffentlichen Hochschule (Schwarz & Lilienthal, 2020) zeigte sich in bisherigen Forschungsprojekten aber, dass nur begrenzte Informationen über den tatsächlichen Umgang mit Diversität in der Organisation vorliegen. Barrieren, Herausforderungen und Chancen werden durch Entscheidungstragende meist nicht als solche erkannt. Neben der Steuerung von Verhaltensweisen durch Strukturen und Regeln ist es daher notwendig Einstellungen, Fähigkeiten und Normen von Organisationsmitgliedern weiterzuentwickeln. Dies betrifft das Handlungsfeld Personalentwicklung (Auferkorte-Michaelis & Linde, 2016).
Die Etablierung positiver Normen gegenüber Diversität hat sich außerhalb des Bildungskontextes als relevanter Prädiktor der Einstellungen gegenüber Vielfalt erwiesen (Vorurteile, Diversity-Beliefs, Einstellungen gegenüber Assimilation ethnischer Minderheiten und Multikulturalismus; Guimond et al., 2013; Guimond et al., 2014; Lee, 2002). Insbesondere wenn die Identifikation mit einer Organisation stark ausgeprägt ist, tendieren Menschen dazu, die eigenen Einstellungen an bestehenden Organisationsnormen zu orientieren (Genkova & Schreiber, 2021b). Der Umgang mit der eigenen und fremden Diversität ist dabei für alle Beteiligten beanspruchend (Genkova et al., 2022). Aus diesem Grund ist es notwendig, Angehörige von Hochschulen durch die Vermittlung von Kompetenzen zu unterstützen.
Diversitätseinstellungen und Kompetenzen bei Lehrkräften (Aguilar et al., 2020; Cotton et al., 2007) und Studierenden (Genkova & Schreiber, 2021a; Kauff et al., 2019) wurden partiell in empirischen Studien in unterschiedlichen kulturellen Kontexten untersucht, die Generalisierbarkeit dieser Ergebnisse ist jedoch ungeklärt. Zu den Diversitätseinstellungen und Kompetenzen von Verwaltungsangestellten und Hochschulleitungen liegen keine Ergebnisse vor. Die Übertragbarkeit bestehender Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen sind ist ebenfalls unklar, weil sich zugrundeliegende Voraussetzungen zwischen den Hochschulformen unterscheiden. Zusammenfassend besteht daher ein Defizit wissenschaftlicher Erkenntnisse zu den Praktiken, Perspektiven, Strukturen, Akteur*innen, Herausforderungen und Chancen des Diversity-Managements an privaten Hochschulen in Deutschland.