IfM | Ringvorlesung: Educating Artist Mittwoch, 4. Januar 2023, 13:30 Uhr

"Wie ein Schrei, den man beantworten wollte": Ernst Ludwig Petrowsky, Joachim Kühn und die Entstehung des experimentellen Jazz in der DDR (Dr. Harald Kisiedu, Institut für Musik, Hochschule Osnabrück)

Beginn: 04.01.2023, 13:30 Uhr
Ende: 12.10.2022, 15:00 Uhr

Veranstaltungsort:
Institut für Musik (Gebäude FC 0005)
Caprivistr. 3
49076 Osnabrück

Weitere Informationen:

Dieser Vortrag beleuchtet die Entstehung des experimentellen Jazz in der DDR Mitte der 60er Jahre mit Fokus auf zwei seiner bedeutendsten Vertreter: den Saxophonisten Ernst-Ludwig Petrowsky und den Pianisten Joachim Kühn. Petrowskys und Kühns Entwicklung und Auseinandersetzung mit den experimentellen Methoden, Konzepten und Praktiken, die afroamerikanische Musiker:innen seit Mitte der 50er Jahre entwickelt hatten, vollzog sich im Kontext politisch-ästhetischer Debatten, die entscheidend durch den kulturellen Kalten Krieg geprägt waren.

Untersucht werden die Schwierigkeiten, denen Petrowsky und Kühn aufgrund von ideologischen Beschränkungen ausgesetzt waren, die kulturpolitische Entscheidungsträger auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges verhängten. Näher eingegangen wird in diesem Zusammenhang auf den 1946 von Andrej Schdanow etablierten Begriff des Formalismus, dessen Geltungsanspruch sich in der DDR bis in die Mitte der 60er Jahre hinein erstreckte und dessen ideologische Implikationen für die Entstehungsphase des experimentellen Jazz prägend waren.

Nachgegangen wird dabei auch der Rolle der ostdeutschen Musikwissenschaft und insbesondere deren wohl prominentestem Vertreter Georg Knepler, dessen ablehnende Haltung dem Jazz gegenüber in diskursiver Hinsicht ebenfalls von weitreichender Bedeutung war. Unter Betonung der Bedingungen des staatssozialistischen Systems werden die kritische Rezeption des Nachkriegsjazz in der DDR und Petrowskys und Kühns Auseinandersetzung mit experimenteller Musik afroamerikanischer Provenienz rekonstruiert. Über das gängige Unterdrückungsnarrativ hinausgehend, das häufig mit Jazz in der DDR verknüpft wird, wird die Art und Weise erhellt, in der ostdeutsche Unterstützer und Kritiker der Musik, die auf den kulturellen Druck des Westens reagierten, sich in wirkliche Debatten über den Jazz einschalteten.

Die Veranstaltung ist öffentlich und kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.