Kompetenzen im dualen Studium: Selbstführung fördern mittels eines Applied Science Lab Montag, 31. Mai 2021

Mit Hausarbeiten, Lehrveranstaltungen, Prüfungen und Mitarbeit im Unternehmen haben dual Studierende viel zu tun. Begegnen und bewältigen lassen sich diese unterschiedlichen Anforderungen mit der Fähigkeit der Selbstführung. Um diese Fähigkeit bei unseren Studierenden gezielt zu entwickeln, bietet unser Büro für Studierenden- und Unternehmensbetreuung sogenannte Applied Science Labs an. Was es damit auf sich hat, wird in diesem Blogbeitrag erklärt.

Das duale Studium bei uns am Campus Lingen stellt unterschiedliche Anforderungen an unsere Studierenden. Häufig entwickeln unsere Studierenden dadurch ein hohes Maß an Belastbarkeit und können sich im Berufsleben sehr gut selbst organisieren. Dennoch gibt es im Alltag jedes*jeder Studierenden Phasen, die besonders gut laufen und Phasen, in denen sie verunsichert sind Grund dafür können zum Beispiel anstehende Prüfungsleistungen, Konfliktsituationen im Betrieb oder persönliche Unsicherheiten sein. In diesen Situationen überwiegen Probleme, mit denen die Studierenden selten allein sind – auch wenn sich das oftmals so anfühlt. Aber egal, ob es gut im Studium gut läuft und man noch höher hinaus will oder ob Zuspruch und neue Ideen notwendig sind, um Lösungsansätze zu finden: In beiden Fällen bedarf es der Fähigkeit der Selbstführung. Selbstführung bedeutet, eigenständig individuelle Ziele zu definieren und diese Ziele in einem zeitlich festgelegten Rahmen zu verfolgen. Trotz Ähnlichkeit zum Zeitmanagement ist die Selbstführung weitgehender und somit vom reinen Zeitmanagement abzugrenzen. Dieses bezeichnet im Allgemeinen die Aufgabenbewältigung innerhalb eines zeitlich festgelegten Terminplans, nicht aber die eigenständige Entwicklung und Ausgestaltung von Zielen. Aus diesem Grund ist das Konzept der Selbstführung deutlich vielseitiger und erwartet mehr Eigenverantwortlichkeit von Studierenden. Idealerweise führt die Selbstführung so zu einer höheren Identifikation mit den eigenen Zielen und erhöht die intrinsische Motivation. Dennoch sind Aussagen wie „Ich finde keine passende Literatur“ oder „Ich würde mich gerne mehr im Betrieb einbringen“ im dualen Studium alltäglich. Besonders bei diesen Unsicherheiten und herausfordernden Situationen kann die Fähigkeit der Selbstführung helfen und Fragen und Probleme klären. Gleiches gilt aber auch, wenn Studierende neuen Input und Ideen für ihre Projekte brauchen. Zugegebenermaßen funktioniert eine erfolgreiche Selbstführung oft nicht beim ersten Versuch. Ganz im Gegenteil: Selbstführung braucht Mut, viel Training und manchmal auch mehrere Anläufe. Um die Studierenden in diesem Prozess zu unterstützen, bietet unsere Studierendenbetreuung verschiedenen Instrumente an, die dabei helfen, die Fähigkeit der Selbstführung weiterzuentwickeln und auszuarbeiten. Eines dieser Instrumente ist das Applied Science Lab, welches im Folgenden erläutert wird.

Was ist das Applied Science Lab?
Das Applied Science Lab, kurz ASL, ist ein vergleichsweises neues Instrument im Bereich der Lerntechniken und wurde von unserem Institut basierend auf der Methode der kollegialen Beratung entwickelt. Unter der „Kollegialen Beratung“ wird ein Beratungsgespräch verstanden, bei dem gleichberechtigte „Kolleg*innen“ aufeinandertreffen, um sich über konkrete Fragen des beruflichen Alltags auszutauschen. Auch das Applied Science Lab verfolgt dieses Ziel und beginnt zunächst damit, verschiedene Unsicherheiten und Schwierigkeiten zu klären, um dadurch konkrete Probleme aufzudecken. Dieser Prozess ist ein wichtiger Bestandteil eines gelungenen ASL, denn häufig ist vielen Studierenden gar nicht bewusst, wo ihre Probleme liegen. Zudem können diese Unsicherheiten und Hindernisse in ganz unterschiedlicher Art bestehen und im persönlichen, beruflichen oder studentischen Bereich angesiedelt sein. Daher bildet die sogenannte „Anliegenklärung“ die Ausgangsbasis des Instruments. Im weiteren Verlauf des Applied Science Labs werden verschiedene Erfahrungen, Meinungen und Vorschläge eingebracht, um Lösungsvorschläge für die zuvor erarbeiteten Problemstellungen Einzelner zu finden. Darauf aufbauend definiert die Gruppe gemeinsam individuelle Zielsetzungen. Die Besonderheit liegt darin, individuelle Lösungsansätze zu erarbeiten, anstatt im Problem zu verharren oder darauf zu vertrauen, Unterstützung von außen zu bekommen. Das Instrument sieht daher explizit vor, dass Prüfer*innen, Studierendenberater*innen oder Coaches nicht aktiv am Beratungsprozess teilnehmen, um so den Studierenden die Möglichkeit zu geben, Hindernisse aus eigener Kraft zu überwinden und so Stärke, Selbstvertrauen und Selbstführung zu fördern. Demnach besteht ein größerer Lerneffekt, wenn Studierende eigene Wege gehen, anstatt vorgegeben Strukturen zu folgen. Darauf folgt ein großes Potenzial, neue und innovative Ideen zu entwickeln und „out of the box“ zu denken.

Verschiedene Möglichkeiten zur Nutzung eines Applied Science Lab

Aus diesem Grund bietet unsere Studierendenberatung Applied Science Lab zu den Schwerpunkten Studium, Unternehmen und persönliche Kompetenzen an. So können zum Beispiel die Praxistransferprojekte im Bachelorstudium bzw. die Reflexionsorientierte Transferstudien im Masterstudium die Ausgangsbasis für das ASL bilden. In diesem Rahmen stellt das ASL eine Beziehung zwischen dem wissenschaftlich Erlernten und den praxisbasierten Erfahrungen aus dem Berufsalltag her. Dabei sollen die Studierenden die Fähigkeit erlangen, ihr fachübergreifendes Wissen auf ihr Berufsfeld zu übertragen und ihre jeweiligen Arbeitsplätze auf Veränderungsbedürftigkeit und -fähigkeit zu analysieren. Folglich findet das ASL an unserem Institut oft Anwendung, denn der Theorie-Praxis-Transfer ist ein überaus wichtiger Bestandteil des dualen Studiums. Gleichzeitig können aber auch die Schwerpunkte Unternehmen und persönliche Kompetenzen Gegenstand eines ASL werden: „Wie organisiere ich mich am besten?“, „Wie kann ich meine Ideen äußern und umsetzen?“ oder „Wie trete ich in Mitarbeitergesprächen auf?“ sind immer wieder Themen im dualen Studium. Daher können sich die Kommiliton*innen im Rahmen eines ASL beispielsweise über Anliegen aus der Praxis und Konfliktsituationen im Kooperationsunternehmen austauschen und gegenseitig beraten. Im Vordergrund stehen hier die persönliche Entwicklung und der Ausbau von geschätzten sozialen und kommunikativen Kompetenzen. Dabei entwickeln die Studierenden ihre Fähigkeit der Selbstführung oft automatisch weiter und können in Zukunft handlungssicher agieren.

Der Ablauf eines Applied Science Lab

Innerhalb der ca. 90-minütigen Veranstaltung stellt jede*r Studierende zunächst sein themenbezogenes Anliegen vor. Die Aufgabe der anderen Gruppenmitglieder ist es, möglichst viele Lösungsvorschläge einzubringen, zu brainstormen und damit in einen kommunikativen Diskurs zu gehen. So werden bestimmte Themen innerhalb der Gruppe geöffnet und diskutiert. Die*der Vortragende bekommt neuen Input für ihr*sein Anliegen, kann Ziele präzisieren oder neue Methoden der Zielerreichung verfolgen. Auch Denkblockaden und Stillstände können nach dem Austauschen aufgelöst werden. Im darauffolgenden Feedback werden die Anmerkungen von weiteren Studierenden protokolliert und innerhalb einer systematisierten Zusammenfassung der*dem Vortragenden zur Verfügung gestellt, damit sich diese*r auf die Diskussion konzentrieren kann. Zusätzlich erhält der*die Vortragende auch von dem*der Lehrenden oder wissenschaftlichen Mitarbeitenden ein Feedback zum individuellen Stand seiner Arbeit. Besonders dabei ist, dass der*die Lehrende eher als Coach*in eines ASL auftritt. Dabei unterstützt der*die Coach*in die Studierenden gezielt mit Fragen, um den Beratungsprozess in der Gruppe zu steuern und Raum für eigene Lösungsvorschläge zu bieten. Damit bekommen alle Teilnehmenden eines ASL die Möglichkeit, neue Erkenntnisse zu schöpfen, unterschiedliche Denkansätze zu verfolgen und von den Vorgehensweisen anderer Studierender vor dem Hintergrund konkreter Beispiele zu lernen. Dieser gemeinsame Lerneffekt kann auch nach dem Abschluss eines ASL durch die Bildung von Lerngruppen fortgeführt werden. 

Zusammengefasst verfolgt ein ASL das Ziel, den Wissens- und Kompetenzaustausch zwischen Kommiliton*innen zu steigern. Gleichzeitig wird die Fähigkeit der Selbstführung gefördert und erprobt. Aus diesem Grund fällt es den Studierenden zunehmend leichter, auch komplexen Anforderungen zu begegnen und Problemstellungen zu bewältigen. Ausschlaggebend dafür ist der gemeinsame Dialog, durch den sich die Studierenden leichter selbst reflektieren können und die eigenen Stärken und Schwächen herausfinden. „Studierende sind mit ihren Unsicherheiten meistens nicht allein. Daher können wir nur allen empfehlen, nicht in einer Verzweiflung zu verharren, sondern ein ASL zu besuchen, um Lösungen zu finden“, beteuert Katrin Dinkelborg. Aus diesem Grund hat jeder*jede Studierende die Möglichkeit, Vorschläge für ein Applied Science Lab bei seinem*ihrem Studierendenbetreuer*in zu äußern. Je nach Anliegen wird dann gemeinsam geschaut, ob es sich anbietet, das ASL in bereits bestehende Seminare, wie zum Beispiel einem PTP Workshop, zu integrieren. Zusätzlich können aber auch Applied Science Labs außerhalb des Stundenplans vereinbart werden, um so ohne einen zeitlich festgelegten Rahmen verschiedene Anliegen zu thematisieren. Offene Fragen und Vorschläge rund um das Applied Science Lab nimmt das Stube-Team gerne entgegen.