Geeignete Methoden für Praxistransferprojekte – Teil 3: Die Arbeitsplatzanalyse Mittwoch, 2. November 2022
Im dritten Teil dieser Reihe zu wissenschaftlichen Methoden für Praxistransferprojekte (PTPs) steht die Methode der Arbeitsplatzanalyse im Mittelpunkt. Sie ist ein geeignetes Instrument zur Themenfindung und kann somit sehr hilfreich für die PTPs sein.
PTPs sind schriftliche Ausarbeitungen, in denen dual Studierende eine betriebliche Fragestellung theoriegeleitet bearbeiten müssen. Hintergrundinformationen bieten die Beiträge „Praxistransferprojekte und ihre Bedeutung für das duale Studium“ und „Tipps und Tricks fürs nächste PTP“. Im ersten Beitrag dieser Reihe haben wir die Methode der Beobachtung und im zweiten die Dokumentenanalyse vorgestellt. In diesem folgt die Arbeitsplatzanalyse, die im dualen Studium darauf abzielt, dass die dual Studierenden ihre Arbeitsplätze im Betrieb in den Blick nehmen, sie analysieren und auf die Planung und Steuerbarkeit ihrer (Arbeitsplatz-) Entwicklung verbessern. Durch die wissenschaftsbasierte Reflektion der Aufgaben, Bedingungen und Rollen eines Arbeitsplatzes können die Studierenden im Betrieb akademische Kompetenzen erwerben.
Die Arbeitsplatzanalyse
Der Begriff Arbeitsplatzanalyse ist Programm: Die Methode bietet eine systematische Struktur, mit der Arbeitsplätze (mit ihren Aufgaben, Konzepten, Methoden, Instrumenten, Arbeitsbeziehungen zu direkten Kolleg*innen und anderen Arbeitsplätzen) eingehend beschrieben, analysiert und reflektiert werden können. Die Analyseform eignet sich dabei vor allem für die Untersuchung von Einflussgrößen auf Routineaufgaben, die in jedem Fachbereich eines Unternehmens zu finden sind. Diese Aufgaben bilden die Basis für die gegenwärtige Wertschöpfung im Betrieb und sind deshalb für die dual Studierenden ein sehr relevantes Tätigkeits- und Erfahrungsfeld während ihrer Praxisphasen. Hier sammeln die Studierenden schon während des dualen Studiums Berufserfahrung.
Die Betrachtung des Arbeitsplatzes kann auf unterschiedlichen Kompetenzniveaus erfolgen. Als Einstieg bietet sich die Entwicklung eines Beschreibungsmodells für den Arbeitsplatz an (beschreibende Arbeitsplatzanalyse). Darauf aufbauend kann mit einem höheren Kompetenzniveau der Arbeitsplatz auch als wissenschaftlicher Reflexionsgegenstand angesehen werden (reflektierende Arbeitsplatzanalyse). Dabei werden Aufgaben, Bedingungen und Beziehungsmuster des Arbeitsplatzes in Frage gestellt. Bestenfalls können Studierende darüber ihren Unternehmen bei der Verbesserung der Arbeitsplätze einen Mehrwert bieten.
Arbeitsplatzanalyse als Beschreibungsmodell
Um den Arbeitsplatz in seiner Gesamtheit wissenschaftlich wahrzunehmen, muss dieser zunächst vollständig erfasst und beschrieben werden. Dafür gliedert sich die Arbeitsplatzanalyse in drei Teile: Die Erfassung und Beschreibung der 1. Aufgaben, 2. Bedingungen und 3. Rollen.
Bei der Aufgabenanalyse werden die Aufgaben, die an einem Arbeitsplatz bewältigt werden systematisch erfasst und gegliedert. Dazu wird zunächst die Funktion des Arbeitsplatzes im Unternehmen identifiziert und daraus abgeleitet, welche Hauptaufgaben der Arbeitsplatz innehat. Danach folgt die Aufgliederung dieser in kleinschrittigere Tätigkeiten. Zudem werden Zusammenhänge der Tätigkeiten bis hin zu den Arbeitsprozessen erfasst. Darauf setzt dann die Erfassung der Bedingungen der Aufgabenbewältigung auf. In diesem Zusammenhang wird untersucht, welche Instrumente (z.B. digitale Instrumente, sonstige Arbeitshilfen) am Arbeitsplatz genutzt werden, wie dieser organisiert ist und welche Rahmenbedingungen zu beachten sind, um die Aufgaben zu erledigen. Mit Rahmenbedingungen sind z.B. Verordnungen, Arbeitsschutzmaßnahmen, Datenschutzregeln etc. gemeint. Als drittes Element der Arbeitsplatzanalyse folgt die Beziehungsanalyse, in der die Interaktionen eines Arbeitsplatzes in den Blick genommen werden – also welche Beziehungen bestehen zu anderen Arbeitsplätzen und welcher Art ist die Interaktion (z.B. ein Informationsaustausch oder die Weitergabe von Daten). Hieraus ergeben sich in der Regel unterschiedliche Rollen für einen Arbeitsplatz, denn es ist ein Unterschied, ob mit Kund*innen, Zulieferern oder Kolleg*innen im Controlling, im Einkauf, in der IT oder in der Produktentwicklung kommuniziert wird.
Entscheidend bei der Erstellung des Beschreibungsmodells ist es, dass systematisch deskriptiv (beschreibend) gearbeitet wird, um die Vollständigkeit sicherzustellen. Insofern geht es zunächst noch nicht darum, Hypothesen zu generieren, sondern alle relevanten Aufgaben, Bedingungen, Beziehungsstrukturen und -muster zu erfassen. Die methodischen Grundlagen dafür bieten die Beobachtung und die Dokumentenanalyse.
Wurde ein Arbeitsplatz vollständig erfasst, können daraus Anforderungen an die Kompetenzen von Arbeitsplatzinhaber*innen abgeleitet werden (Erstellung eines Stellenprofils).
Reflektierende Arbeitsplatzanalyse
In der reflektierenden Arbeitsplatzanalyse wird der Arbeitsplatz auf Veränderungsbedürftigkeit und -fähigkeit untersucht. Die Analyse erfolgt hypothesengeleitet. Eine Hypothese könnte zum Beispiel sein, dass die Einführung eines bestimmten Rechnersystems die Effizienz des Arbeitsplatzes steigert.
Bei der Herangehensweise wird zunächst auf die oben beschriebene Struktur zurückgegriffen und zusätzlich werden die „Ziele der Aufgaben und die Ausführung der Aufgaben, die Arbeitsbedingungen und die Rollen auf Basis von Hypothesen in den Blick genommen“ (Arens-Fischer & Dinkelborg, 2021, S. 77). Die Studierenden sollen über diese Herangehensweise dazu befähigt werden, dass ihnen erstens im Berufsalltag Unregelmäßigkeiten und unerwünschte Begleiterscheinung auffallen (Veränderungsbedürftigkeit) und sie zweitens mit ihrem wissenschaftlichen Know-how prüfen, ob die Anwendung einer Theorie eine Verbesserung des Arbeitsplatzes hervorbringen könnte (Veränderungsfähigkeit). Im ersten Fall sind Praxisprobleme und im zweiten Fall ist eine Vermutung der Anlass für die Analyse. Gemein haben die Herangehensweisen, dass dual „Studierende Hypothesen bilden, worin die Probleme begründet und wie sie zu lösen sind“ (ebd.).
Erweiterte Arbeitsplatzanalyse
Die erweiterte Arbeitsplatzanalyse nimmt das Arbeitsumfeld und die Betriebsumwelt in den Blick und prüft, ob sich aus Veränderungen des Umfelds Veränderungsbedarf ergibt. Diese Herangehensweise soll die Studierenden dazu befähigen, den Blick zu weiten und Ursachen-Wirkungs-Beziehungen (Hypothesen) über ihren unmittelbaren Arbeitsplatz hinaus zu identifizieren. So könnte sich beispielsweise aus einer Veränderung des Umweltbewusstseins der Gesellschaft eine veränderte Erwartung der Kund*innen an die Nachhaltigkeit eines Produktherstellers begründen. Daraus ergeben sich dann auch Wirkungen für jeden Arbeitsplatz. Die erweiterte Arbeitsplatzanalyse fördert somit auch die Kompetenzen, in Ursache-Wirkungszusammenhängen zu denken und zu handeln.
Um die Handhabung der Methode zu erleichtern, haben Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Arens-Fischer und Katrin Dinkelborg-Ripperda Leitfragen für die einzelnen Bereiche entwickelt. Dadurch können dual Studierende ihre Herangehensweise besser strukturieren, nach Wirkbezügen suchen und Themen für die PTPs herausfinden und vorschlagen.
Die Bedeutung der Arbeitsplatzanalyse für die PTPs
Die Methode Arbeitsplatzanalyse dient im Rahmen der PTPs vorrangig zwei Zwecken: Zum einen hilft sie dabei, ein Thema bzw. ein Problem / Phänomen für ein PTP aufzudecken und zum anderen, strukturiert und wissenschaftlich fundiert die Auswahl des PTP-Themas zu begründen. Daher sollten die Studierenden während der Praxisphase ihren Arbeitsplatz immer hinsichtlich Aufgaben, Bedingungen und Rollen kritisch reflektieren und ihre Themenauswahl über die drei Teilanalysen begründen.
Für den Aufbau eines PTPs folgt daraus, dass die Ergebnisse einer Arbeitsplatzanalyse gleich zu Beginn in der Einleitung eingebaut werden sollten. Daraus ergibt sich der Anlass für einen Untersuchungsbereich und die Ableitung/Begründung des Themas sowie dessen Abgrenzung zu weiterführenden Themen.
Tiefergehende Informationen zur Methode der Arbeitsplatzanalyse gibt es in der Bibliothek. Studierende wenden sich bei Fragen zu Ihren PTPs bitte immer zuerst an ihre Lehrenden. Beratungen zu PTPs nehmen darüber hinaus auch Myriam Erath und Marcel Laufmöller vom Büro für Studierenden- und Unternehmensbetreuung vor.
Literatur und Empfehlung:
Arens-Fischer, W., Dinkelborg, K. & Häring, B. (2014): Rollenimprovisation in offenen Technologieanalyseprozessen. In: Klatt, R. (Hrsg.): praeview – Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention, 5. Jahrgang, 2014, S. 20-21.
Arens-Fischer, W. & Dinkelborg, K. (2021): Arbeitsplatzanalyse. Ein Rahmenmodell für die Entwicklung akademischer Kompetenzen in der Praxisroutine. In: Duales Studium - DUZ, S. 71-83.
Becker, F. (2002): Lexikon des Personalmanagements. S. 45.
Schuler, H. (2006): Arbeits- und Anforderungsanalyse. In H. Schuler (Hrsg.), Lehrbuch der Personalpsychologie (S. 45-68). Göttingen: Hogrefe.