„Nebenbei promovieren“: Zwischen Berufsalltag und Promotion Mittwoch, 29. Mai 2024

Ann-Kathrin Weidlich

Ann-Kathrin Weidlich ist bereits seit 2015 an der Hochschule Osnabrück am Campus Lingen. Sie hat ihr duales Bachelorstudium Wirtschaftsingenieurwesen und den dualen Masterstudiengang Technologieanalyse, -engineering und -management am IDS erfolgreich abgeschlossen. Zwei Jahre später entschied sie sich für eine Promotion. Neben der Promotion arbeitet sie als Teamleiterin bei Lindschulte Industrial Engineering. Wie es dazu kam, wie sie das meistert und wo sie ihre Zukunft sieht, erfahrt ihr im Interview.

Du hast am Institut für Duale Studiengänge Wirtschaftsingenieurwesen (Bachelor) und Technologieanalyse, -engineering und -management (Master) studiert. Warum hast du dich für diese Studiengänge entschieden?

„Schon in der Schule haben mir die Fächer Physik und Chemie gefallen und auch das Thema Forschung hat mich interessiert. Für mich war schon früh klar, dass ich ein technisch orientiertes Studium absolvieren möchte. In den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen bin ich dann eher reingerutscht, was den Vorteil hatte, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf einen Bereich festlegen musste. Das Studium ließ mir viele Möglichkeiten offen, da man sich sowohl betriebswirtschaftlich, als auch in Richtung Technik und Ingenieurwesen orientieren kann. Man lernt spannende Themenfelder wie Technologie- und Innovationsmanagement kennen, die einen über den Tellerrand hinausblicken lassen. Ich habe mich schließlich für die Vertiefungsrichtung Projektmanagement im Bachelorstudium und Verfahrenstechnik im Masterstudium entschieden. Beide Vertiefungen sind eine gute Grundlage für die Arbeit in einem Ingenieurbüro für Anlagen und Verfahrenstechnik. Außerdem ist die Berufserfahrung aus dem dualen Studium für den Einstieg sehr hilfreich.“

War es schon immer dein Traum zu promovieren?

„Schon während meiner Schulzeit fand ich es spannend, wenn uns Leute aus der Industrie oder von der Universität unterrichtet haben. Auch im Bachelor- und Masterstudium habe ich die Arbeit der Lehrenden sehr geschätzt und der Gedanke, in ihre Fußstapfen zu treten, hat mich zur Promotion motiviert. Ob ich nach der Promotion tatsächlich in die Lehre gehe, werde ich zu gegebener Zeit entscheiden.“

Neben deiner Promotion arbeitest du auch. Wie schaffst du es, Arbeit und Promotion unter einen Hut zu bringen?

„Angefangen habe ich als Projektingenieurin bei Lindschulte und bin jetzt als Teamleiterin für den Bereich Energyconsult & Concepts verantwortlich. Dabei geht es um die Dekarbonisierung von Industrie und Gewerbe, insbesondere um die Transformationsberatung aber auch um das Engineering zur Umsetzung solcher Dekarbonisierungsmaßnahmen.  Aus den Problemstellungen der Kunden im Energiebereich entwickelte sich schließlich die erste Idee für mein Dissertationsthema. Meine Dissertation trägt den Arbeitstitel „Erneuerbare Energiesysteme in Industrie- und Gewerbegebieten: Potenziale, Technologien und strategische Herausforderungen für Unternehmen“ (GewerbeQuartier | Hochschule Osnabrück). Durch meinen Beruf war ich mit dem Thema auch auf der praktischen Ebene vertraut.
Da ich im dualen Studium gelernt habe, zwei Ziele parallel zu verfolgen, also einerseits zu arbeiten und andererseits zu studieren, wusste ich bereits, wie ich mit der Herausforderung umgehen musste.“

Du promovierst seit Juni letzten Jahres. Wie läuft es bisher und was macht dir besonders viel Spaß?

„Inhaltlich gefällt es mir sehr gut. Wenn man anfängt, hat man erst einmal sehr viele Ideen und bekommt auch viel Input. Auch während der Bearbeitung bekommt man immer wieder neue Anregungen, Ideen und lernt neue Projekte kennen. Auf einer Konferenz habe ich mit verschiedenen Menschen diskutiert und diesen Austausch finde ich sehr interessant. Gleichzeitig ist es schwierig, in den drei Jahren, auf die die Stelle befristet ist, durch den immer wiederkehrenden Input fertig zu werden, aber man muss sich das Ziel setzen.“

Was macht dir Angst bzw. Freude, wenn du an die nächsten zwei Jahre denkst, in denen du noch promovieren wirst?

„Eine Herausforderung für mich ist die Zeit, denn ich promoviere und bin gleichzeitig berufstätig. Ich würde fast sagen, ich promoviere nebenbei und bin hauptsächlich berufstätig. Im schlimmsten Fall verliert man die Motivation, weil sich die Zeit hinzieht. Man muss für sich wissen, warum man diese Doppelbelastung auf sich nimmt. Man muss sich selbst motivieren können, und in der Lage sein, die eigene Arbeit am Promotionsthema immer wieder kritisch zu hinterfragen.

Ich habe mein Thema gefunden, das motiviert mich. Außerdem kann ich meine persönlichen Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen erweitern, zum Beispiel beim Netzwerken auf Konferenzen, beim Präsentieren komplexer Zusammenhänge oder beim wissenschaftlichen Schreiben für Publikationen.

Im Beruf wird man von den Kunden und den Aufgaben getrieben. Bei einer Promotion kann ich mich auf das konzentrieren, was mich persönlich interessiert. Die Promotion bietet mir die Möglichkeit, mich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln – darauf freue ich mich.“