Wissenssnack Mittwoch, 17. Juli 2024

Bild:Hochschule Osnabrück

Wie können Unternehmen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten?

Prof. Dr.-Ing. Anne Schierenbeck erklärt im neuen Wissenssnack, warum Unternehmen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen. Bild: Hochschule Osnabrück

Täglich sind wir von spannenden Wissenschaftsthemen umgeben. Mit dem Format „Wissenssnack“ möchten wir aktuelle wissenschaftliche Themen näher beleuchten und durch gezielte Fragen an unsere unterschiedlichen Expert*innen am Campus Lingen aufklären.

Das nachfolgende Interview hat Hochschul-Redakteurin Miriam Kronen mit Prof. Dr.-Ing. Anne Schierenbeck geführt. Sie ist Professorin für Energiemanagement an der Fakultät Management, Kultur und Technik und seit 2009 als Unternehmensberaterin im Bereich Energiemanagement und Klimaschutz in Gewerbe und Industrie tätig. Daneben war sie von 2011 bis 2016 Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft und dort Sprecherin für Energie- und Klimapolitik sowie Haushalts- und Finanzpolitik ihrer Fraktion. Zuvor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin und Leiterin des Bereichs Technischer Umweltschutz beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Bremen e.V.

 

Frau Professorin Schierenbeck, wie können Unternehmen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten?

Sie können nicht nur, sondern müssen sogar einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Denn die Europäische Union hat beschlossen, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Das heißt, dass 2050 keine Treibhausgase mehr emittiert werden. Dafür hat die EU ein zentrales Instrument: Das ist der Europäische Emissionshandel. Alle Unternehmen, die Energie verbrauchen, müssen im Prinzip Emissionszertifikate kaufen und irgendwann gibt es keine mehr. Deshalb ist es für die Unternehmen klug, sich jetzt damit auseinanderzusetzen, um möglichst 2040 schon einen Plan zu haben, wie sie ohne Treibhausgasemissionen zurechtkommen.

Welche Herausforderungen gilt es zu beachten?

Die großen Unternehmen, die energieintensiv sind, wie z.B. Stahlwerke oder Kraftwerke wissen eigentlich schon seit langem, was auf sie zukommt. Sie sind bereits am sogenannten Emissionshandel 1 beteiligt. Im Emissionshandel 1 wird es ab 2038 keine Zertifikate mehr geben. Das heißt, sie müssen sich schon jetzt umstellen. So hört man derzeit beispielsweise von Stahlwerken, die bereits auf Wasserstoff umstellen. Alle anderen Unternehmensbereiche, die bisher nicht erfasst wurden, betrifft der Emissionshandel 2. Dieser wird jetzt erst neu eingeführt. Dazu gehören alle Bereiche, in denen man Gas, Benzin oder ÖL braucht. Darunter fallen z.B. Heizen und Verkehr, aber auch Prozesswärme. Die kleineren Unternehmen haben das zum Teil noch nicht berücksichtigt. Diese müssen jetzt anfangen und zunächst einen Plan für ihre Energieversorgung erstellen. Sinnvoll für die Unternehmen ist es nun, einen sogenannten Transformationsplan anzufertigen.

Was sieht ein solcher Transformationsplan für Unternehmen aus?

Transformation meint in diesem Fall, die Transformation hin zu Klimaneutralität. Solche Transformationspläne werden auch vom Staat gefördert. Die Energieversorgung mit Gas, Benzin und Öl ist allerdings nur ein Teil des Plans. Dabei handelt es sich um direkte Emissionen, das wird auch als Scope 1 bezeichnet. Zudem müssen sie sich ihre Strom- und Wärmeversorgung anschauen, also die indirekten Emissionen. Das nennt man Scope 2. Und als dritten Punkt müssen die Unternehmen alles, was sie an indirekten Emissionen kaufen und verkaufen, auflisten. Das wird als Scope 3 bezeichnet. Der letztere Bereich ist der größte und umfasst etwa 80 Prozent der Emissionen.

Wie kann die Hochschule bei der Transformation unterstützen?

Im Masterstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen-Energiewirtschaft am Campus Lingen haben wir beispielsweise ein Projekt mit einem Unternehmen aus der Region durchgeführt, bei dem unsere Studierenden eine Treibhausgasbilanz erstellt haben. Ich habe auch diverse Abschlussarbeiten betreut, wo es meist auch darum ging, Treibhausgasbilanzen für Unternehmen anzufertigen. Zuletzt hatte ich ein Projekt zur CO2-Bilanz eines Produkts. Denn wenn man im B2B-Bereich tätig ist, möchten natürlich auch auf Kund*innenseite immer mehr Unternehmen wissen, wieviel CO2 eigentlich in einem Produkt steckt.

Ansonsten sind wir schwerpunktmäßig für den Energiebereich zuständig. Das heißt, wir kümmern uns um Scope 1 und 2. Hier gibt es typischerweise das Ziel, Energie einzusparen, also die Energieeffizienz zu steigern. Dem Energiemanagement haben sich in diesem Semester drei studentische Projektgruppen bei drei Unternehmen in der Grafschaft gewidmet. Der nächste Schritt ist nun die restliche Energieversorgung auf Erneuerbare Energien umzustellen, was wiederum von studentischen Projektgruppen unterstützt werden kann.

Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für den Wissenssnack genommen haben.

 

Zum Hintergrund:

Der Europäische Emissionshandel ist seit 2005 das zentrale Klimaschutzinstrument der EU. Ziel ist die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen der teilnehmenden Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie. 2003 wurde das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) vom Europäischen Parlament und dem Rat der EU beschlossen, am 1. Januar 2005 trat es mit der Emissionshandelsrichtlinie in Kraft. Im Jahr 2019 beteiligten sich bereits 31 europäische Länder mit etwa 11.000 emissionsintensiven Anlagen aus der Stromproduktion und den CO2-intensiven Industrien am europäischen Emissionsrechtehandel. Seit 2012 nimmt der innereuropäische Luftverkehr teil und seit 2024 auch der Seeverkehr. Neben Kohlendioxid sind seit 2013 auch Lachgas und perfluorierte Kohlenwasserstoffe einbezogen.

 

Von: Miriam Kronen

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