Der Mensch hinter der Wunde Dienstag, 8. März 2016

Ihre Expertise in der Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden brachten die Referentinnen und Referenten mit zum 18. Netzwerk-Workshop des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) an der Hochschule Osnabrück.

Pflege-Experten plädieren auf DNQP-Netzwerktreffen für eine stärkere patientenorientierte Haltung

(Osnabrück, 8. März 2016) Die Pflege-Fachleute sprechen von einer „Compliance-Umkehr“. Glaubten sie bislang, dass Therapie und Heilung insbesondere vom kooperativen Verhalten des Patienten, seiner „Therapietreue“ abhängt, so läutete das diesjährige Treffen des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), zur Aktualisierung des Expertenstandards „Pflege von Menschen mit einer chronischen Wunde“, in der Aula der Hochschule Osnabrück, in diesem Punkt einen Paradigmenwechsel ein.

Die Inhalte des 2009 entwickelten Standards konnten zwar von der Expertenarbeitsgruppe weitestgehend bestätigt werden, neu justiert wurde jedoch das Verhältnis zwischen Pflegendem und Patient. Es sei viel Erfolg versprechender, könne gar das Scheitern einer Therapie verhindern, wenn sich das Pflegepersonal dem Patienten gegenüber kooperativ und einfühlsamer verhalte, seine Präferenzen und seinen Lebensstil berücksichtige. „Die pflegerische Haltung sollte immer eine patientenorientierte Haltung sein“, formulierte Prof. Dr. Eva-Maria Panfil, Vorsitzende der Expertenarbeitsgruppe und tätig am Universitätsspital Zürich, die grundlegend andere Herangehensweise vor rund 400 Pflegefachleuten.

Die Erkenntnisse der Expertinnen und Experten fußen auf der Auswertung von über 50 aktuellen internationalen Fachpublikationen zum Thema. „Es geht nicht um die Wunde. Es geht um den Menschen, der eine Wunde hat“, brachte Panfil die Quintessenz der Analyse auf den Punkt und ergänzte, „zentral bei der Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden ist nicht, den richtigen Wundverband zu finden. Das ist eine Verschwendung von Geld und Ressourcen gleichermaßen. Die pflegerische Haltung muss viel mehr sein, den Lebensstil und die Präferenzen des Patienten nachzuvollziehen. Wir sind nicht compliant, wenn wir den Alltag des Patienten nicht verstehen“.

Wie eine patientenorientierte Haltung den Therapieerfolg hingegen wesentlich und langfristig verbessern kann, schilderte eindrucksvoll Doris von Siebenthal, die am Kantonsspital Baden in der Schweiz arbeitet und dort die Wund- und Stomaberatung leitet. Als Mitglied der Expertenkommission steuerte sie zwei Fallbeispiele ihrer Arbeit bei.

Nur weil sie akzeptierte, dass die individuellen Lebensumstände, Prioritäten und das Krankheitsverständnis ihrer Patienten nicht immer im Einklang, oft sogar im Widerspruch mit der gängigen pflegerischen Praxis standen, konnte sie einer Patienten mit einer Wunde am Fuß und chronischer Insuffizienz sowie einem diabeteskranken Mann mit schweren Fußverletzungen zu größerer Lebensqualität verhelfen. „Wir Pflegenden gehen nach getaner Arbeit nach Hause, der Patient aber muss immer mit seiner Wunde leben“, warb Siebenthal für tiefgreifendes Verständnis.

Am Nachmittag hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in sechs Arbeitsgruppen die Möglichkeit, sich intensiver zum Thema auszutauschen. Die Arbeitsgruppen zu den Settings Krankenhaus, stationäre Altenhilfe und ambulante Pflege waren der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden in diesen Bereichen gewidmet. Andere Gruppen befassten sich mit den Themen Kompressionstherapie, Umgang mit Körperbildstörungen und Schulung/Beratung für Menschen mit chronischen Wunden. In allen Arbeitsgruppen zeigte sich ein großes Interesse zu Fragen der Implementierung von Neuerungen in die Pflegepraxis, dem künftig auch durch das neue Weiterbildungsprogramm des DNQP „Zur Einführung und Anwendung von Expertenstandards in der Pflege“, entsprochen werden soll.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Andreas Büscher
Wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP)

Telefon: 0541 969-2004
E-Mail: dnqp@hs-osnabrueck.de
Internet: www.dnqp.de

Von: Isabelle Diekmann / Petra Blumenberg

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