Vom dualen Studenten zum Prokuristen – Tobias Ripperda im Interview Montag, 5. April 2021
Tobias Ripperda zeigt eindrucksvoll, dass es möglich ist, innerbetrieblich Karriere zu machen. Nachdem er 2005 sein Abitur erlangte und ein Jahr Zivildienst beim Rettungsdienst geleistet hat, ist er seit 2006 Teil der Wietmarscher Ambulanz- und Sonderfahrzeug GmbH (WAS). Ripperda gibt Einblicke in seinen Karriereweg und Studienzeit.
Ripperda, 34 Jahre alt und gebürtig aus Lingen, hat von 2006 bis 2009 Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Projektmanagement im Bachelor an der Berufsakademie Emsland (heute IDS) in Kooperation mit der WAS studiert. Fünf Jahre später erlangte er berufsbegleitend einen Master of Business Administration and Engineering, ebenfalls im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen. Inzwischen kann er auf 14 Jahre Unternehmenszugehörigkeit und die Ernennung als Prokuristen zurückblicken. Im folgenden Interview berichtet Ripperda über seinen Werdegang und seine Erfahrungen mit dem dualen Studium:
Herr Ripperda, wieso haben Sie sich 2006 für Ihren Arbeitgeber und ein duales Studium in Lingen entschieden?
Ripperda: Meinen Arbeitgeber habe ich aufgrund meiner Interessen gewählt. Ich komme ursprünglich aus der Feuerwehr, habe meinen Zivildienst beim Rettungsdienst absolviert und hatte entsprechend schon viel Kontakt mit Ambulanz- und Sonderfahrzeugen. Ich konnte mein Hobby somit ein Stückchen zum Beruf machen. Das duale Studium in Lingen kam für mich in Frage, weil bereits Freunde von mir an der Berufsakademie studierten, zufrieden waren und es weiterempfohlen haben. Die WAS war mir vorher nicht bekannt, aber durch meine Tätigkeit im Rettungsdienst und der Tatsache, dass WAS auf der Liste der Kooperationsunternehmen stand, passte es gut und ich wurde trotz relativ später Bewerbung angenommen. Den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen habe ich gewählt, weil es die Schnittmenge aus dem ist, was ich eigentlich immer schon machen wollte. Es war ein Stück weit Zufall, dass ich das Unternehmen gefunden habe, aber bis heute habe ich es nie bereut.
Sie arbeiten auch heute nach vierzehn Jahren noch bei der WAS wie zu Zeiten Ihres Studiums. Wie hat sich Ihr Karriereweg im Unternehmen gestaltet?
Ripperda: Nach meinem Studium habe ich zwei Jahre als Projektleiter gearbeitet und danach im Prinzip alle zwei Jahre innerhalb des Unternehmens meine Position, quasi meinen Beruf, gewechselt. Ich war im Einkauf tätig, war Teil des Gründungsteams des Produktmanagements und habe nach und nach die Leitung von größeren Abteilungen übernommen. 2018 bin ich Prokurist geworden und habe jetzt eine noch größere Abteilungsleitung inne. Durch meine kontinuierlichen betriebsinternen Abteilungs- und Positionswechsel und der daraus entstehenden Herausforderung, mich alle zwei Jahre in etwas Neues einzuarbeiten, ist es bis heute spannend. Es gibt ja Menschen, die einem sagen, dass man nach X Jahren sein Unternehmen wechseln muss, um Karriere zu machen. Von diesen Ratschlägen halte ich nicht viel. Maßgeblich ist doch eher, dass man sein Spektrum erweitert, seine Perspektiven verändern und viele unterschiedliche Aufgaben machen kann. Meine Karriere habe ich also über verschiedene Stationen in meinem Unternehmen machen können. Hinzu kommt auch Auslandserfahrung, die ich machen durfte. Ich kenne das Unternehmen wie meine Westentasche.
Haben Sie ein Modul, dass Sie heute gerne nochmal hören möchten oder dessen Bedeutung Sie heute anders einschätzen?
Ripperda: Es gibt einige Module, die ich mit dem Wissen von heute gerne nochmal hören würde. Dazu gehören für mich zum Beispiel Führungstechniken, Organisation oder Prozessmanagement – also all das, was ich jetzt tagtäglich anwende. Als Student konnte ich die Bedeutung der Fächer schlecht einordnen, weil mir nicht immer bewusst war, was ich damit genau machen kann und welche Konzepte dahinterstecken. Den ganzen Bereich um Organisation und Führung würde ich gerne mit dem jetzigen Wissen nochmal hören. Einiges habe ich auch in Führungsseminaren oder fachlichen Fortbildungen wiedergefunden. Das hat mich irgendwie auch beruhigt, denn dann bin ich ja offensichtlich gut vorbereitet worden.
Schauen Sie in die Ordner aus Studienzeiten immer mal wieder rein oder sind es für Sie eher Erinnerungsstücke?
Ripperda: Das klingt immer etwas nerdy, aber ich habe in der Tat noch alle Unterlagen aus dem dualen Studium, sogar die PTPe und natürlich auch die Sachen aus dem Master. Natürlich schau ich da nicht jeden Tag rein, aber ich weiß, wo sie stehen und was ich alles gemacht habe. Ich werfe sie nicht weg, denn ab und zu kann man immer noch etwas daraus gebrauchen.
Das duale Studium bedeutet auch ein gutes Selbstmanagement. Wie war dies für Sie?
Ripperda: Ich bin jemand, der gerne auf ein Ziel hinarbeitet und sich darauf fokussiert. Ich brauche einen gewissen Druck und dieser ist natürlich gegeben, wenn sechs Klausuren in einer Woche anstehen. Dann muss man sich selbst organisieren, damit das funktioniert und man alles unter einen Hut bringen kann. Diese Fähigkeit hilft mir auch im Job.
Was waren für Sie die größeren Herausforderungen? Wie haben Sie diese gemeistert?
Ripperda: Also, wenn man es als Herausforderung bezeichnen kann, war es eher die Zusammenarbeit mit anderen Personen, die vielleicht nicht so viel Wert auf Selbstorganisation oder gute Noten legen. Teamarbeit ist sowohl im Studium als auch im Beruf ein wichtiger Bestandteil. Ansonsten war es die Fähigkeit, sich unter Zeitdruck neue Dinge anzueignen und methodisch zu lernen. Davon profitiere ich noch heute. Ich weiß nicht mehr, wie ich irgendwelche Hydraulikleitungen auslegen müsste, weil ich es 13 Jahre nicht gemacht habe, aber ich wüsste, wie ich es wieder lernen könnte. Ich gehe methodisch an Probleme und Aspekte heran und kann dies immer wieder anwenden.
Die Fähigkeiten aus dem Studium bereiten Studierende also auch auf das lebenslange Lernen vor, oder?
Ripperda: Nach dem Studium ist man definitiv nicht fertig. Man hat dann eine bestimmte Perspektive und wird immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Mit dem Wissen von heute würde ich die Herangehensweise, mit der man als frischer Absolvent Aspekte und Themenbereiche erfasst, anders einschätzen. Man kombiniert das Methodische, was man in der Hochschule lernt, mit der Berufs- und Führungserfahrung und lernt dadurch, die Probleme anders anzugehen.
In welchen Situationen Ihres Studiums konnten Sie die Theorie besonders gut mit der Praxis verbinden?
Ripperda: Am besten hat dies in Bezug auf die technischen Systeme geklappt, wie bei dem Modul Konstruktion technischer Systeme. Dabei mussten wir ein Projekt aus verschiedenen Perspektiven herausbearbeiten. Wir hatten jemanden, der Konstruktionstechnik als Schwerpunkt hatte, während ich derjenige war, der in den Zwischenfächern, also zwischen Betriebswirtschaft und Ingenieurwesen, fit war. Darüber hinaus haben die etwa dreimonatigen Wechsel zur Theorie-Praxis-Verzahnung beigetragen – zehn Wochen haben wir intensiv den Stoff vermittelt bekommen und dann zehn bis zwölf Wochen im Unternehmen reflektieren können. Inzwischen habe ich als Vorgesetzter oft erleben können, dass es nicht selbstverständlich ist, sich seinen Tag selbst zu strukturieren, sich seine Aufgaben zu suchen und ordnen. Im dualen Studium kannten wir es einfach nicht anders. Heute würde ich sagen, dass man den Wert dessen gar nicht hoch genug einschätzen kann. Ein Studium mit regelmäßigen Lernortwechseln kann ich also jedem empfehlen.
Zur Verzahnung von Theorie und Praxis: Wie haben Sie die Praxis-Transfer-Projekte (PTPs) während des Studiums wahrgenommen und wie beurteilen Sie diese rückwirkend?
Ripperda: Also während des Studiums fand ich die natürlich nicht immer cool, aber im Nachhinein habe ich die PTPs als Instrument zu schätzen gelernt. Es ist durchaus eine Übung, die dazu beigetragen hat, dass ich die Inhalte des Studiums verinnerlicht habe. Von Seiten der Firma hat man sich meine PTPs damals nicht so intensiv angesehen, als dass ich mich damit hätte großartig in den Vordergrund spielen können. Andererseits war das auch ein großer Vertrauensvorschuss meines Unternehmens, den ich da genossen habe. Den wollte ich auch nie verspielen. Es ist wahrscheinlich über die Zeit als Vehikel und Tool eher in den Fokus gerückt. Ich kann mir vorstellen, dass die PTPs heute einen anderen Stellenwert haben. Ein Kollege von mir studiert derzeit und ist mit mir zusammen die Themen und möglichen Schwerpunkte durchgegangen. Aus meiner heutigen Rolle kann ich sagen, dass es durchaus ein Tool ist, wodurch sich Studierende positiv hervorheben können. Früher herrschte noch ein anderes Verständnis zu den PTPs, aber jetzt kann ich das durchaus als Unternehmensvertreter sagen, dass ich dort wirklich Potenziale bei den Studierenden sehen kann. Heute frage ich auch eher nach.
Welchen Rat würden Sie Interessierten und/oder dual Studierenden mit auf den Weg geben?
Ripperda: Das ist eine schwierige Frage. Ein Stück weit Durchhaltewillen. Es ist wichtig, dass duale Bachelorstudierende sich auf das Thema einlassen. Sie sollen etwas für sich selbst mitnehmen und nicht nur auf den Masterabschluss schauen. Das duale Studium hat den Vorteil des Theorie-Praxis-Transfers und diesen gilt es, ins Berufsleben mitzunehmen. Ich habe nach zwei Jahren Berufserfahrung nebenberuflich meinen Master gemacht. Dieses war mit einer neuen Perspektive im Unternehmen verbunden und ergab daher Sinn. Den dualen Master gab es damals noch nicht. Nebenberuflich zu studieren kann hart sein, aber ich hatte Berufspraxis, die sich andere vorschnell vergeben hatten, parallel Aufstiegsmöglichkeiten und das Studium. Mehr kann man in kurzer Zeit nicht schaffen und das bringt einem auch Respekt ein. Daher würde ich es immer wieder so machen.