Vom dualen Bachelorstudium zur eigenen Agentur Montag, 7. Februar 2022
Linda Becker kann auf eine spannende Karriere zurückschauen. Den Anfang machte sie 2007 mit ihrem dualen Bachelorstudium der Betriebswirtschaft. Heute leitet sie ihre eigene Marketing- und E-Commerce-Agentur und arbeitet zusätzlich als Aufsichtsratsmitglied. Im Interview berichtet sie von ihrem Weiterbildungs- und Karriereweg.
Sie haben 2007 Ihr duales Studium der Betriebswirtschaft, damals noch an der Berufsakademie Emsland, begonnen – Wieso sollte es ein duales Studium sein?
Becker: Zum einen wollte ich schon immer gerne ins Arbeitsleben einsteigen, aber gleichzeitig kam es für mich persönlich nicht in Frage, eine Ausbildung zu absolvieren, weil ich gerne einen Studienabschluss haben wollte. Zum anderen konnte ich auf diese Weise gleichzeitig mein Studium finanzieren.
Wieso ist Ihre Wahl damals auf die SANICARE Versandapotheke als Arbeitsgeber gefallen?
Becker: Ich habe mich bei vielen Betrieben in der Nähe meines Wohnortes beworben und mich nicht auf eine Branche fokussiert - bei mir lag der Fokus auf den kaufmännischen Berufen. Der wurde bei meinem Kooperationsunternehmen durch die zusätzliche Ausbildung zum*r Groß- und Einzelhandelskaufmann*frau abgedeckt, weshalb ich mich für SANICARE entschied.
Wie bewerten Sie die Möglichkeit, das duale Studium mit einer Ausbildung zu kombinieren?
Becker: Durch die Kombination des dualen Studiums mit einer Berufsausbildung konnte ich nach zwei Jahren bei der IHK eine Kammerprüfung ablegen und so hatte ich schon Mitte des Studiums einen ersten Berufsabschluss. Die Möglichkeit, zwei Abschlüsse zu erlangen, gefällt mir sehr gut und halte ich für bedeutend. Auf diese Weise gibt es keinen Zeitverlust, den Studierende hätten, wenn sie die Abschlüsse nacheinander erlangen würden. Ich konnte die praktischen Themen auch nochmal vertieft anwenden und das Wissen aus der Berufsausbildung mit meinem Hochschulwissen verknüpfen, was mir bei der Festigung und dem langfristigen Lernen sehr geholfen hat. Ich sehe diese Kombination, als echten Mehrwert an und kann sie jedem empfehlen, da den Studierenden auf diese Weise noch ein breiteres Wissen vermittelt wird, welches sie mit einem reinen Studien- oder Ausbildungsabschluss nicht erhalten würden.
Wie war das duale Studium bei der SANICARE Versandapotheke strukturiert?
Becker: Ich habe in jeden Bereich reingeschaut – vom Einkauf, also Warenbeschaffung, über die Logistik und Warenverkauf, was auch Marketing und Vertrieb beinhaltet, bis hin zum Kundenservice. Wir dual Studierenden haben in jedem Bereich mehrere Monate gearbeitet. Dadurch konnte ich, zusammen mit dem Studium, gut entscheiden, wo meine Schwerpunkte lagen und wo ich in Zukunft arbeiten möchte. Das habe ich als sehr nützlich und gewinnbringend wahrgenommen.
Wie bewerten Sie das duale Studium im Nachhinein? Was waren die größten Herausforderungen und Vorteile des dualen Studiums?
Becker: Ein klarer Vorteil des dualen Studiums ist, dass die Studierenden direkt lernen, wie die Arbeitswelt funktioniert. Dazu gehören auch Kleinigkeiten, z. B. wie man sich in Teams integriert oder das typische nine-to-five-Arbeiten von montags bis freitags. In einem klassischen Vollzeitstudium gibt es da, beispielweise bei der Teilnahme an Veranstaltungen, größere Freiheiten. Das ist in der Arbeitswelt anders und kann nachher zu Problemen führen. Da sind dual Studierende bereits gut drauf vorbereitet und können eine Menge Erfahrungen sammeln. Darüber hinaus sehe ich die finanzielle Basis, die Studierende erhalten und den Theorie-Praxis-Transfer als Vorteile des dualen Studiums an. Ein Vorteil, der oft vergessen wird, sind die Kontakte, die man als Studierende*r währenddessen knüpft und die einem im Berufsleben oft weiterhelfen. Außerdem können dual Studierende während der Studienzeit schneller herausfinden, in welchem Bereich sie in Zukunft arbeiten möchten und wie sie sich beruflich weiterentwickeln wollen.
Den Wechsel aus Theorie- und Praxisblöcken habe ich nicht als Belastung empfunden. Im Gegenteil: Alle drei Monate zwischen Theorie und Praxis zu wechseln, war für mich viel spannender und gewinnbringender als andere Zeitmodelle, da ich mich bei diesem Modell immer auf eine Sache konzentrieren konnte. Während der Studienphasen konnte ich das Studierendenleben genießen und während der Praxisphasen richtig im Betrieb ankommen.
Einmal zum Theorie-Praxis-Transfer: Wie wurden die Praxistransferprojekte (PTPs) damals von Ihrem Arbeitgeber wahrgenommen? Und wie würden Sie solche Projekte aus Ihrer heutigen Perspektive beurteilen?
Becker: Die PTPs bieten für die Studierenden einen großen Mehrwert, vorausgesetzt sie fertigen diese gewissenhaft an, da sie bestehende Prozesse in der Abteilung theoretisch hinterlegen müssen. Gerade dieses Verschriftlichen halte ich für sehr sinnvoll, weil die Vernetzung von Theorie und Praxis auf diesem Weg intensiver ist. Zu meiner Studienzeit bestand kein Austausch zwischen den Studierenden und den Führungspersonen zu den PTPs. Diese waren damals aber auch noch ein recht junges Instrument der Verzahnung. Da meine Studienzeit auch schon länger her ist, kann sich das bis heute gewandelt haben.
Nach Ihrem Bachelor wurden Sie 2010 als Marketing-Managerin bei SANICARE übernommen. Wie hat sich dies entwickelt?
Becker: Ich habe bereits während des Studiums schwerpunktmäßig Marketing gewählt. Das war immer das, was ich machen wollte. Ich habe auch während der Praxisphasen festgestellt, dass das vom Team und von der Arbeitsweise, die eher projektbezogen war und ich nicht jeden Tag das Gleiche zu tun hatte, gut passt. Passend zu meinem Abschluss wurde eine Stelle im Marketing frei, sodass ich dann die Chance hatte, als Marketing-Managerin anzufangen. Ich habe zu der Zeit aber ein bisschen damit gehadert, ob ich nicht direkt ein Aufbaustudium anschließen soll. Wenn es den dualen Master Führung und Organisation mit den Richtungen Marketing und Unternehmenskommunikation damals schon gegeben hätte, hätte ich das wahrscheinlich auch direkt gemacht. Ich habe dann erstmal ein Jahr bei SANICARE gearbeitet, aber wusste, dass ich noch einen Master machen möchte. Zwei Jahre später erlangte ich dann einen Doppelabschluss mit dem Master of Science und dem Master of Arts mit dem Schwerpunkt Marketing und Change-Management an der Hochschule Osnabrück und der Edinburgh Napier University in Schottland.
An meinem ersten Tag bei SANICARE nach meinem Masterabschluss ist die damalige Marketingleiterin auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ihren Job zu übernehmen, da sie schwanger war. Dass ich Marketingleiterin geworden bin, war also eher eine glückliche Fügung, aber ich war zu dem Zeitpunkt durch das duale Studium auch schon viele Jahre im Unternehmen.
Sie haben sich 2015 mit admenti selbstständig gemacht. Was war Ihr Antrieb dahinter? Was hat sich für Sie geändert?
Becker: SANICARE wurde damals umstrukturiert, als ein neues Management anfing. Dieses Management wollte die ganzen Dienstleistungen, wie z. B. das Marketing, von Externen beziehen, was für mich schlecht war, weil das bedeutet hätte, dass mein Job wegfallen würde. Dann wurde von SANICARE vorgeschlagen, dass ich mich selbständig mache und SANICARE als Kunde betreuen würde. Daraufhin habe ich mir das überlegt und mich dafür entschieden. Die anderen Mitarbeitenden aus dem Marketingbereich habe ich zum größten Teil übernommen. Heute sind wir weiterhin für die damaligen Versandapotheken als Marketing- und IT-Dienstleister aber auch für kleinere unterschiedliche Kunden tätig.
Inwieweit hat Ihnen Ihr Studium dabei geholfen, sich selbstständig zu machen?
Becker: Das duale Studium hat mir dahingehend geholfen, dass ich währenddessen im Personal- und Abrechnungsbereich, in rechtliche Themen und in all das reinschauen konnte, was ich in der Geschäftsführung brauche. Dieses Wissen kann ich heute noch nutzen. Ein gewisses Maß an Disziplin und Zeitmanagement ist bei einem dualen Studium schon erforderlich, weil man mit der Hochschule und dem Kooperationsunternehmen zwei Instanzen glücklich machen muss. Das hat mir bei der Selbständigkeit ein bisschen die Angst genommen, da ich mich durch das duale Studium gut vorbereitet gefühlt habe.
Seit 2019 sind Sie auch im Aufsichtsrat der Pharm-net AG. Wie kam es dazu und was ist das Spannende an der Arbeit im Aufsichtsrat?
Becker: Dazu kam es, weil die Pharm-Net AG ebenfalls im Netzwerk meiner Agentur tätig aktiv ist, sodass die Verbindung bestand und ich immer mal wieder dort inhaltlich hineinschauen konnte, weil ich das Marketing für die AG bereits als Dienstleister gemacht habe. Zudem fand ich die Arbeit in Aufsichtsräten schon immer sehr spannend, weil Mitglieder, ohne dass sie komplett im Unternehmen integriert sind, ins Unternehmen und dessen Zahlen hineinschauen können. Sie können quasi mit einer Vogelperspektive auf die Performance des Unternehmens gucken und dennoch handeln und wirken. Dass dann ein Platz im Aufsichtsrat frei wurde, hatte ich Glück gefragt zu werden, den Posten zu besetzen. Ich habe mich dann entschlossen, die Chance wahrzunehmen, da ich diese Arbeit gut mit meiner Selbständigkeit verbinden kann.
Wenn Sie Richtung Zukunft schauen, wie sehen da Ihre nächsten Schritte aus?
Becker: Ich kann mir vorstellen, zu promovieren. Ich habe damals erstmal gesagt, ich möchte die Agentur in eine bestimmte Richtung bringen. Danach wollte ich mich erst familiär orientieren und habe ein Kind bekommen. Jetzt habe ich aber wieder Lust, mich inhaltlich in bestimmte Themen einzudenken und eine externe Promotionsstelle zu suchen. Auf die Arbeit nebenbei zu verzichten, kann ich mir aber auch hier unter keinen Umständen vorstellen. Den Doktortitel möchte ich gerne haben, weil ich mir vorstellen kann, später nur noch Teilzeit in der Agentur zu arbeiten und dafür dann in der Hochschule zu lehren – von Marketing bis Management oder auch Personalthemen.
Abschließend: Welche Tipps möchten Sie aktuell Studierenden für ihr duales Studium und für ihr Berufsleben mitgeben?
Becker: Ich würde ihnen gerne mitgeben, das Studierendendasein und das Studierendenleben nicht zu vergessen. Außerdem würde ich den Tipp geben, dass das A&O, um das Studium zu meistern, nicht inhaltlich zu suchen ist, sondern in der Arbeitsorganisation und im Zeitmanagement. Die Studierenden müssen im Kopf geordnet sein. Sie wechseln alle drei Monate die Umgebung mit verschiedenen Menschen im Umfeld, den Lebensstil und ggf. sogar den Wohnort. Diese drei Monate sollten sie zu 100 Prozent da sein – abwechselnd 100 Prozent Studierende*r und 100 Prozent im Unternehmen. Ich würde auch immer raten, am Standort, wo man studiert, zu wohnen. Das Wechselwohnen, was ich damals auch in Anspruch genommen habe, kann ich auf jeden Fall empfehlen.