Vom dual Studierenden zum Leiter der technischen Entwicklung – Fabian Völker im Interview Dienstag, 7. Juni 2022
Fabian Völker gehört zu den ersten Absolvent*innen der Studienrichtung Technische Informatik des dualen Studiengangs Engineering technischer Systeme (EtS) am Campus Lingen. Im Interview berichtet er u.a., warum er unbedingt ein duales Studium absolvieren wollte und wie ihm die Praxistransferprojekte zu einem kritischen Blick verholfen haben.
Völker studierte von 2018 bis 2021 am Institut für Duale Studiengänge (IDS) am Campus Lingen der Hochschule Osnabrück EtS – Technische Informatik. Auch heute ist er noch bei seinem früheren Kooperationsunternehmen promesstec GmbH tätig. Seit seinem Abschluss arbeitet er dort als Leiter der technischen Entwicklung.
Wie sind Sie damals auf das IDS aufmerksam geworden und warum haben Sie sich für ein duales Studium entschieden?
Völker: Für mich stand immer fest, dass ich ein duales Studium absolvieren möchte. Deswegen habe ich mich bei mehreren Firmen hier in der Nähe beworben. Trotz der Teilnahme an vielen Assessmentcentern habe ich leider keine einzige Zusage erhalten, sodass ich dann erstmal eine zivile Ausbildung als Elektroniker für Geräte und Systeme bei der Bundeswehr gemacht habe.
Bei der mündlichen Abschlussprüfung habe ich meinen ehemaligen Chef von promesstec kennengelernt. Er hat mich danach in sein Unternehmen eingeladen. Bei einem kleinen „Bewerbungsgespräch“ habe ich ihm gesagt, dass ich auf jeden Fall noch ein duales Studium machen möchte – am liebsten in der Entwicklung. Wichtig zu wissen ist, dass es eine Entwicklungsabteilung zu der Zeit im Unternehmen noch gar nicht gab. Von meiner Idee, eine Entwicklungsabteilung aufzubauen, war er sehr angetan. Über eine Ausbildungsbörse in den Emslandhallen hier in Lingen bin ich dann auf die Hochschule Osnabrück aufmerksam geworden. Da habe ich erfahren, dass sie am IDS neuerdings die Studienrichtung Technische Informatik anbieten und das war genau das, was ich machen wollte. So bin ich am IDS gelandet.
Für Sie stand also im Vorhinein fest, dass Sie ein duales Studium absolvieren möchtest. Warum war das so?
Völker: Ich fand den Gedanken immer interessant, dass Unternehmen und Hochschulen dann gewissermaßen „zusammenarbeiten“ und man nicht nur das eine oder das andere sieht, sondern schon im Studium das gesamte Unternehmen kennenlernt. Dadurch kann man als dual Studierende*r die Strukturen verstehen und hat meiner Meinung nach direkt nach dem Studium bessere Möglichkeiten im Unternehmen.
Was waren die größten Herausforderungen und Vorteile des dualen Studiums?
Völker: Bei Herausforderungen fällt mir natürlich direkt das Thema Corona ein, was sehr präsent war. Mein Jahrgang hatte Glück, dass wir die ersten zwei Jahre noch „normal“ studieren konnten. Die Hochschule hat die Herausforderungen aber gut gelöst. Unabhängig davon gab es am Anfang noch ein paar Startschwierigkeiten, da die Studienrichtung komplett neu war, aber das hat sich schnell gelegt.
Zu den Vorteilen zähle ich das Kennenlernen der Unternehmensstrukturen und das Durchlaufen von verschiedenen Abteilungen. Auch die zeitliche Organisation des Studiums im Blockmodell hat das Studium für mich sehr interessant gemacht. Dadurch, dass ich abwechselnd drei Monate in der Hochschule und drei Monate im Betrieb war, konnte ich während der Studienphasen auch das Studierendenleben mitnehmen. Was natürlich auch nicht fehlen darf, sind die Praxistransferprojekte (PTPs). Die sind ja etwas Besonderes bei unserem dualen Studium am IDS. Davon schreibt man als dual Studierende*r 30 Stück, wenn man alle direkt beim ersten Mal besteht. Das ist schon ein großer Vorteil für die Bachelorarbeit. Ich habe mehrere Bachelorarbeiten von anderen Studierenden gelesen, die nicht am IDS studiert haben und da konnte ich sehen, dass die Qualität von unseren Bachelorarbeiten schon viel höher angesiedelt ist.
Die PTPs werden von Studierenden ganz unterschiedlich bewertet. Wie haben Sie die PTPs während des Studiums wahrgenommen und wie beurteilen Sie diese rückwirkend?
Völker: Da gibt es ganz klar eine Veränderung. Bis zum Schreiben der Bachelorarbeit habe ich mich auch öfter über die PTPs aufgeregt, weil es schon eine Menge Arbeit ist. In manchen Modulen ist es teilweise herausfordernd, ein passendes Thema im Unternehmen zu finden, bei dem ein Praxistransfer hergestellt werden kann. Während der Bachelorarbeit hat sich meine Sicht dann verändert, da ich gesehen habe, dass meine Schreibqualität viel besser geworden ist.
Durch die PTPs habe ich jetzt auch einen ganz anderen, viel kritischeren Blick auf die Abläufe im Unternehmen. Ich nehme jetzt nicht einfach alles hin, sondern hinterfrage sehr viel. Ich habe quasi ein Werkzeug an die Hand bekommen, mit dem ich auch wirklich etwas verändern kann.
Wurden die Ergebnisse einiger Ihrer PTPs im Unternehmen angewendet/umgesetzt?
Völker: Dadurch, dass wir ein kleines Unternehmen sind und die Entwicklungsabteilung aus mir und einem dual Studierenden besteht, haben wir das, was wir an Praxistransfer in der Abteilung hergestellt haben, auch umgesetzt. Gerade bei der Verbindung von Entwicklungsabteilung und Produktion gab es viele Dinge, die wir verbessern konnten. Da wurden auch ein oder zwei Ideen aus meinen PTPs umgesetzt bzw. sind noch in der Umsetzung.
Ganz unabhängig von den PTPs: Welche Module haben Ihnen damals am besten gefallen?
Völker: Ich muss wirklich sagen, alle Module, die direkt der Elektrotechnik oder Informatik zuordenbar sind, haben mir am besten gefallen, weil wir da so viele praktische Sachen gemacht haben und oft im Labor waren. Das sind auch alles Module, die ich jetzt im Job auch noch brauche.
Es gibt auch manchmal Module, deren Bedeutung man erst im Nachhinein zu schätzen weiß. Welches Modul würden Sie gerne nochmal hören?
Völker: Da wir ein Mess- und Sensorikunternehmen sind, ist sowas wie Reglungstechnik super wichtig für uns. Der Dozent, der das damals bei uns gelehrt hat, hat die Inhalte gut rübergebracht. Trotzdem waren da Inhalte dabei, die ich beim ersten Mal nicht direkt verstanden habe. Daher würde ich das gerne nochmal hören. Auf der anderen Seite würde ich mich auch nochmal in so ein Modul wie Projektmanagement setzen. Das ist gerade bei uns in der Entwicklungsabteilung sehr wichtig. Da wäre eine kleine Auffrischung sicher sinnvoll.
Wie würden Sie Ihre Kompetenzentwicklung im Nachhinein beschreiben?
Völker: Also was echt heraussticht ist das selbständige Arbeiten – da habe ich auch schon mit anderen Studierenden drüber geredet. Wir haben wirklich gelernt, Probleme zu identifizieren, dafür Lösungen zu erarbeiten und diese am Ende auch umzusetzen. Das würde ich als Kernkompetenz benennen, die ich während des Studiums gelernt habe.
Kommen wir zu Ihrer heutigen Arbeit: Inwieweit können Sie das erlernte Wissen in Ihrem heutigen Job nutzen?
Völker: Ich habe im Studium alle Grundbausteine an Wissen vermittelt bekommen, die ich heute benötige. In dem Bereich, in dem ich tätig bin, hat man allerdings nie ausgelernt, aber das ist auch etwas, das ich im Studium gelernt habe: die Kompetenz, mich selbständig weiterzubilden.
Wie sieht Ihr heutiger Arbeitsalltag aus? Was sind Ihre Aufgaben?
Völker: Bei mir ist fast jeder Tag anders. Einen typischen Arbeitsalltag habe ich deswegen nicht. Ich habe natürlich meine Projekte, die länger gehen – manchmal sogar bis zu einem Jahr, aber trotzdem ist meine Arbeit sehr facettenreich. Das wird nochmal dadurch verstärkt, dass jedes Projekt an sich auch wieder anders ist. Das eine ist z. B. ein Sensor für eine Tanksteuerung und am nächsten Tag bin ich dabei, eine Temperatursteuerung und -überwachung von Infusionslösungen in Rettungswagen zu entwickeln.
Meine Aufgaben fangen schon bei der Projektplanung an: Lasten- und Pflichtenheft aufstellen und mit dem*der Kund*in in Kontakt sein, um zu prüfen, ob das, was er*sie sich vorgestellt hat, umsetzbar ist. Dann gehört auch der Schaltungsentwurf dazu und die Softwareentwicklung. Das sind alles Schritte, die sich im Projektmanagement wiederholen, aber von Projekt zu Projekt anders sind.
Würden Sie sich nochmal für ein duales Studium entscheiden?
Völker: Definitiv! Ich empfehle auch oft Leuten das duale Studium, die noch nicht genau wissen, was sie machen möchten. Ich sehe nur Vorteile darin, dass dual Studierende direkt im Kooperationsunternehmen Erfahrungen sammeln und sich fest dort verankern können.
Welchen Tipp möchten Sie Studieninteressierten und/oder dual Studierenden mit auf den Weg geben, um das Studium gut zu meistern?
Völker: Studierenden würde ich raten, mutig zu sein. Sie sollen sich trauen im Unternehmen, Probleme anzusprechen und auf Verbesserungspotenziale hinzuweisen.
Studieninteressierten würde ich mit auf den Weg geben, am Ball zu bleiben – vor allem, wenn es nicht direkt funktioniert. Bei mir hat es auch nicht beim ersten Mal geklappt und am Ende konnte ich doch noch ein duales Studium absolvieren. Gebt also nicht vorher auf. Es lohnt sich!