Vereinbarkeit von Studium, Karriere und Elternschaft – Teil 1 Montag, 18. Juli 2022
Anja Schulte kennt sich aus mit dem dualen Studium: Sie studierte sowohl im Bachelor als auch jetzt im Master dual am Campus Lingen. In diesem Beitrag berichtet sie von ihren Erfahrungen im Studium und davon, wie sich Bachelor und Master voneinander unterscheiden.
Schulte studierte von 2015 bis 2018 dual Wirtschaftsinformatik am Campus Lingen und integrierte dabei eine Ausbildung zur Fachinformatikerin mit der Fachrichtung Systemintegration. Ein Jahr nach ihrem Bachelorabschluss begann sie den berufsintegrierenden Masterstudiengang Führung und Organisation. Schon seit Beginn ihres Bachelorstudiums arbeitet Schulte bei ihrem Kooperationsunternehmen der Hörmann KG Verkaufsgesellschaft. Dort ist sie als Assistentin der Geschäftsführung Informatik tätig. Derzeit ist sie in Elternzeit und bringt dabei Studium, die Masterarbeit und Nachwuchs unter einen Deckel, denn seit letztem Sommer ist sie Mutter eines Sohnes.
Wenn Sie an die Zeit vor Ihrem Bachelorstudium zurückdenken, warum haben Sie sich für den Studiengang Wirtschaftsinformatik entschieden?
Schulte: Bei mir war das eigentlich umgekehrt. Ich habe mich erst für die Studienform und dann für den Studiengang entschieden. Ich wollte eine Zwischendisziplin zwischen Wirtschaft und einer (informations-)technischer Komponente studieren, weil ich Schnittstellenfunktionen spannend finde. Da war bei mir dann die Frage, ob ich eher Richtung Wirtschaftsingenieurwesen oder Wirtschaftsinformatik gehe. Ich habe mir daraufhin verschiedene Unternehmen angeschaut und war auch bei dem Bewerbertag (Anm. d. Red.: heute Talent Day) vom Institut für Duale Studiengänge (IDS). Dort habe ich dann noch andere Unternehmen kennengelernt – u. a. auch die Hörmann KG Verkaufsgesellschaft, mein Kooperationsunternehmen. Am Ende habe ich mich dann für dieses Unternehmen entschieden, weil sie mir den Studiengang Wirtschaftsinformatik und spannende Entwicklungsperspektiven angeboten haben.
Sie sagen, dass die Entscheidung für die Studienform vor der Entscheidung für einen Studiengang feststand: Warum wollten Sie unbedingt ein duales Studium absolvieren? Und warum am Campus Lingen?
Schulte: Ich wollte auf jeden Fall einen Praxisbezug im Studium haben und konnte mir nicht vorstellen, an einer Universität rein theoriebasiert zu studieren. Deswegen war für mich das duale Studium die optimale Form.
Ich fand das Studienkonzept der dualen Studiengänge am IDS passend und den Campus Lingen super schön – und habe mich dann ein bisschen darin verliebt. Dazu sei noch ergänzt, dass ich gebürtig aus Lingen komme und mir gezielt ein Kooperationsunternehmen gesucht habe, das weiter weg ist, damit ich umziehen muss. Ich wollte gerne die Unabhängigkeit während der Praxisphasen kennenlernen und fand es gleichzeitig auch immer schön, während der Studienphasen Zuhause in Lingen zu wohnen. Das war für mich die perfekte Mischung.
Nach Ihrem dualen Bachelorstudium haben Sie 2019 den dualen, berufsintegrierenden Masterstudiengang Führung und Organisation begonnen. Was waren Ihre Beweggründe für das Masterstudium?
Schulte: Ursprünglich wollte ich einen Vollzeit-Master absolvieren und habe tatsächlich auch in einen reingeschnuppert. Dabei habe ich ganz schnell gemerkt, dass das überhaupt nichts für mich ist, weil mir der Praxisbezug gefehlt hat und viele Themen nur oberflächlich angesprochen wurden. Deswegen habe ich nicht mal das erste Semester zu Ende studiert und relativ schnell abgebrochen.
Eine Freundin von mir hat in der Zeit schon den Master Führung und Organisation am IDS studiert und gesagt, dass der Studiengang genau das ist, was ich suche. Daraufhin habe ich genauer recherchiert und das Studium tatsächlich begonnen. Ich bin heute immer noch total glücklich über die Entscheidung, weil es genau das ist, was ich wollte.
In meinem Alltag als Assistentin der Geschäftsleitung Informatik habe ich viele verschiedene Projekte leiten dürfen. In diesem Zusammenhang arbeite ich mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten aus verschiedenen Fachbereichen zusammen. Da ist es eine große Herausforderung, zwischen den Menschen zu moderieren und einen roten Faden reinzubringen – gerade bei großen IT-Projekten, wo viele verschiedene Bereiche aufeinandertreffen. Mir war es immer sehr wichtig, einen Konsens oder eine Kompromisslösung zu finden, soweit es möglich ist. Im Master konnte ich durch meinen Schwerpunkt Moderation und Beratung Methoden und Fähigkeiten erlernen, um solche Situationen besser zu moderieren und meine Aufgaben bewältigen zu können.
Wie haben Sie Ihrem Arbeitgeber den Wunsch kommuniziert und hat er Ihre Entscheidung für ein Masterstudium direkt unterstützt?
Schulte: Als Assistentin der Geschäftsführung Informatik habe ich immer engen Kontakt zu meinem Vorgesetzten. Er kennt mich und meine Wissbegierde. Als ich dann um die Ecke kam und gesagt habe, dass ich den Master in Lingen machen möchte, hat er nur geschmunzelt und geantwortet: „Das habe ich mir schon gedacht.“ Er kannte den Studiengang schon, weil ein Kollege von mir den auch absolviert hat. Wir haben dann eine ähnliche Vereinbarung wie bei meinem Kollegen getroffen. So bin ich während der Studienzeiten freigestellt und die Verteilung der Kosten haben wir auch geklärt. Das war für mich sehr angenehm.
Jetzt arbeiten Sie schon seit mehreren Jahren in Ihrem Kooperationsunternehmen. Wie haben sich Ihre Aufgaben/ Ihr Arbeitsalltag im Vergleich zur Bachelorzeit geändert?
Schulte: Während des Bachelors habe ich verschiedene Abteilungen im Unternehmen durchlaufen und auf diese Weise unterschiedliche Bereiche kennengelernt. Mit meiner Bachelorarbeit habe ich dann die neue Stelle als Assistentin der Geschäftsführung angefangen und dort durchgehend gearbeitet – auch während des Masters.
Wie unterscheidet sich der Master von Ihrem Bachelorstudium?
Schulte: Im Bachelor ging es darum, eine fundierte Wissensbasis im Bereich der IT zu schaffen. Das war für mich besonders wichtig, da ich weder Vorerfahrungen im Informatik- noch im Wirtschaftsbereich hatte, was eher ungewöhnlich ist. Ich wusste nicht einmal was ein Server oder eine Datenbank ist. Da ich im Unternehmen von Anfang an mit offenen Karten gespielt habe, dass ich keine Vorkenntnisse habe, aber dennoch motiviert bin, das zu lernen, wurde ich von den Kolleg*innen in allen Themenbereichen sehr gut abgeholt.
Der Master jetzt hat natürlich eine ganz andere Richtung. Ich bin viel tiefer eingestiegen, auch z. B. in Literaturarbeit. Ich habe zudem die Kompetenzen erworben, mir selbst noch mehr Wissen anzueignen und Dinge kritischer zu hinterfragen als im Bachelor. Dort habe ich noch viele Dinge als gegeben angesehen, auch wenn die Lehrenden schon immer wieder auf kritische Reflexion hingewiesen haben. Jetzt im Master ist das nochmal viel intensiver geworden. Durch die Reflexionsorientierten Transferstudien (RTSn) ist es erforderlich, noch tiefer in die Themengebiete einzusteigen und sie kritisch zu reflektieren. Gleichzeitig kann ich dadurch aber auch individuelle Themenschwerpunkte setzen.
Praxistransferprojekte (PTPs) und Reflexionsorientierte Transferstudien (RTSn) werden von den Studierenden sehr unterschiedlich wahrgenommen. Wie bewerten Sie die PTPs während des Bachelorstudiums und jetzt die RTSn während des Masters?
Schulte: Die PTPs im Bachelorstudium waren für mich ein echtes Training. Erstmal galt es, Themen im Unternehmen aufzuspüren. Das ist manchmal etwas tricky, weil man da um die Ecke denken muss. Darüber hinaus war es ein gutes Schreibtraining; z. B. im Hinblick auf Zitation, den Aufbau einer Arbeit oder die Formulierung von Fragestellungen. Aber auch dort hat sich irgendwann eine Routine eingestellt. Diese Art, kritisch auf Unternehmen und die dortigen Vorgänge zu schauen, ist mir in Fleisch und Blut übergangen.
Entsprechend habe ich jetzt bei den RTSn im Master überhaupt keine Probleme, in den Schreibflow zu kommen oder eine Problemstellung zu finden, weil ich durch den Bachelor schon so viel Routine habe. Bei den RTSn gefällt mir, ein Thema ganzheitlich bearbeiten zu können und am Ende immer ein umfassendes Ergebnis zu haben.
Die beiden Prüfungsleistungen haben mir auf jeden Fall dabei geholfen, den Theorie-Praxis-Transfer herzustellen.
Sie konnten schon viele Erfahrungen im dualen Studium sammeln und unterschiedliche Zeitmodelle kennenlernen. Was gefällt Ihnen am dualen Studium am besten?
Schulte: Stichwort Zeitmodell: Ich hatte mir auch andere berufsintegrierende Masterstudiengänge angeschaut, aber da finde ich das Modell am Campus Lingen am besten, weil ich eine Woche habe, in der ich mich nur aufs Studium konzentrieren kann. Das ist dann meine Woche, in der ich Wissen aufsaugen und mich fokussieren kann. In den Wochen danach kann ich wieder in die Praxis einsteigen, das Erlernte mitnehmen und durch die RTSn direkt anwenden. Dadurch, dass wir die RTSn schreiben und keine Klausuren, kann ich mir die Zeit auch wirklich flexibel einteilen. Das ist dann wirklich machbar, nebenbei Vollzeit zu arbeiten – oder auch noch ein Kind zu betreuen.
Im Bachelor fand ich gut, dass die Studien- und Praxisphasen so abgeschlossen waren, damit ich mich immer auf eine Sache konzentrieren konnte. Das hat mir vor allem am Anfang gut geholfen, als alles noch so neu war. Ich konnte mein Studierendenleben so auch voll genießen.
Nächste Woche gibt es den zweiten Teil des Interviews mit Anja Schulte. Dort spricht sie über die Vereinbarkeit von Studium, Karriere und Elternschaft und gibt Einblicke in ihren Alltag als Studentin und Mutter.