Vereinbarkeit von Studium, Karriere und Elternschaft Teil 2 Montag, 25. Juli 2022
Nachdem Anja Schulte im ersten Teil des Interviews über ihre Erfahrungen im dualen Studium berichtet hat, liegt der Fokus in diesem Teil auf der Vereinbarkeit von Studium, Karriere und Elternschaft. Sie erzählt von ihrem Alltag, den Unterstützungsmöglichkeiten der Hochschule und davon, wie die duale Studienform die Vereinbarkeit unterstützt.
Schulte beendete 2018 erfolgreich ihr duales Bachelorstudium der Wirtschaftsinformatik am Campus Lingen. Ein Jahr später begann sie den berufsintegrierenden Masterstudiengang Führung und Organisation. Sie befindet sich jetzt im letzten Semester und schreibt ihre Masterarbeit. Bis letzten Sommer arbeitete sie als Assistentin der Geschäftsleitung bei ihrem Kooperationsunternehmen Hörmann KG Verkaufsgesellschaft, bei dem sie bereits ihren Bachelor absolvierte. Seitdem ist sie in Elternzeit, denn Schulte ist Mutter eines Sohns geworden. Sowohl Karriere als auch Elternzeit lassen sich laut ihr gut mit dem berufsintegrierenden Studium vereinbaren.
Bei Ihnen gibt es eine Besonderheit, die Sie von manch anderen Studierenden unterscheidet. Sie sind Mutter geworden. Wie vereinbaren Sie Karriere, Studium und Elternsein?
Schulte: Bis jetzt hat es ganz gut geklappt. Das Timing war auch gut, weil mein Sohn im Sommer geboren wurde, als wir eine längere Praxisphase hatten, sodass ich das Studium nicht unterbrechen musste. Gerade am Anfang, wo er sehr klein war, hat er noch super viel geschlafen, sodass ich die Zeit ganz gut nutzen konnte, um mich aufs Studium zu konzentrieren. Je älter und mobiler er wird, desto schwieriger wird das, weil ich ihn selbst noch Zuhause betreue. Ohne die Unterstützung der Familie, wäre es definitiv eine größere Herausforderung. Durch ihre Hilfe schaffe ich es, mir Freiräume für das Studium zu nehmen. Gleichzeitig ist es eine Challenge, diese Freiräume dann nicht zu nutzen, um den Haushalt zu machen oder Zeit für sich selbst zu nehmen, sondern dann die Motivation aufzubringen, sich ans Studium zu setzen.
Inwieweit unterstützt die duale Studienform die Vereinbarkeit?
Schulte: Wenn ich Vollzeit studiert hätte, hätte ich entweder wesentlich weniger Module belegt oder wahrscheinlich sogar pausiert. Da das Studium auf sechs Semester verteilt ist und wir nur 15 Tage pro Semester Anwesenheit haben, war es immer gut möglich, das Studium zu absolvieren und die RTSn zu schreiben – oder jetzt eben die Masterarbeit. Damit unterstützt gerade die berufsintegrierende Form die Vereinbarkeit, weil ich auch keine Prüfungsphasen habe, in denen ich von montags bis freitags Klausuren schreibe. Die Flexibilität, die ich durch die Studienform habe, mein Berufsleben auszuüben, habe ich genauso, um meine Familie unter einen Hut zu bringen. Daher empfinde ich die duale Studienform als gute Form, um mit Kind zu studieren.
Neben der Unterstützung der Familie, die Sie eben schon angesprochen haben, was sind die wichtigsten Eigenschaften, die man beim Studieren mit Kind benötigt?
Schulte: Es ist ganz gut, sich unter den Kommiliton*innen ein Netzwerk zu schaffen für den Fall, dass man doch mal aus der Vorlesung raus muss oder keine Betreuung hat. Ich musste einmal einen Nachmittag Zuhause bleiben, weil ich keine Betreuung gefunden habe. Dann ist es sehr hilfreich, Kommiliton*innen zu haben, die für einen mitschreiben und einen unterstützen. Das Verständnis von den Menschen drumherum, wie Kommiliton*innen, ist sehr wichtig. Ein Beispiel dafür sind Terminplanungen für Gruppenarbeiten, da es ist nicht so einfach ist, den ganzen Tag weg zu sein.
Wie wurden Sie von der Hochschule unterstützt?
Schulte: Ganz am Anfang habe ich mit Katrin Dinkelborg telefoniert. Sie hat mir dann einige Infos gegeben, was von Seiten der Hochschule alles möglich ist – von Pausieren des Studiums bis hin zu Studieren in Elternzeit. Es war für mich eine große Erleichterung, dass ich nicht zusätzlich gezwungen bin, nebenbei eine gewisse Stundenanzahl zu arbeiten, solange mein Sohn so jung ist. Die Hochschule bietet auch Möglichkeiten der Prüfungszeitverlängerung, beispielsweise kann ich meine Bearbeitungszeit für die Masterarbeit verlängern. Ich habe am Campus auch den Vorteil, dass dort saubere und moderne Wickelräume sind.
Neu ist ein MCP-Kurs, das steht für Mindful-Compassionate-Parenting. Das ist ganz cool, um sich mit anderen Eltern zu vernetzen, die auch studieren, weil es viel mehr Studierende mit Kind(ern) an der Hochschule Osnabrück sind als man denkt. In dem Kurs bekommen wir ein paar Basics an die Hand, wie man mit Stress umgeht, z. B. in Bezug auf die Erziehung, aber auch auf die Vereinbarkeit von Familie und Studium. Insbesondere der Austausch mit anderen Eltern, die ebenfalls studieren, ist im Rahmen dieses Kurses sehr wertvoll.
Wie sah die Unterstützung seitens Ihres Kooperationsunternehmens aus?
Schulte: Ich wurde in dem Sinne unterstützt, dass sie damit einverstanden waren, dass der Kooperationsvertrag mit der Hochschule weiterläuft, auch wenn ich in Elternzeit bin. Außerdem stehen mir weiterhin meine Ansprechpartner*innen im Unternehmen zur Verfügung, wenn ich Unterstützung bei der Bearbeitung von den RTSn oder der Masterarbeit benötige. Das läuft echt gut.
Sind Sie mit Vorurteilen in Bezug auf Studieren mit Kind in Berührung gekommen?
Schulte: Nein, bin ich tatsächlich gar nicht. Wir haben im letzten Modul diskutiert, was privat ist, was beruflich ist und was man überhaupt im beruflichen Kontext ansprechen kann, bevor es zu privat wird. Da haben wir dann das Beispiel Elternschaft/Kinder/Schwangerschaft genommen, weil das das Einzige ist, wo das Privatleben in das Berufsleben reinrutscht. Die Diskussion war interessant. Irgendwas Negatives habe ich zum Glück noch nie erlebt.
Was denken Sie, welche Vor- und Nachteile haben Sie später im Job gegenüber anderen, die während des Studiums nicht Eltern waren?
Schulte: Der Vorteil ist auf jeden Fall, dass ich meine Selbstorganisation weiter stärken konnte, wobei die allein durch die berufsintegrierende Organisation des Masterstudiums zunimmt. Das Gleiche gilt für mein Zeitmanagement. Ansonsten finde ich, dass man das nicht so allgemein sagen kann, weil eine Elternschaft sehr individuell ist.
Die Situation, dass junge Berufstätige aufgrund einer Elternschaft ausfallen oder beruflich eingeschränkter sind, könnte sich aber je nach Haltung des Unternehmens, bzw. der jeweiligen Vorgesetzt*innen negativ bei Jobwechsel auswirken.
Was würden Sie anderen Eltern mit auf den Weg geben, die überlegen ein Studium aufzunehmen?
Schulte: Bei mir war die Situation, dass ich während des Studiums Mutter geworden bin. Das ist noch etwas Anderes, als wenn man als Elternteil ein Studium startet. Aber grundsätzlich finde ich, dass die Hochschule Osnabrück sehr viel Unterstützungsmöglichkeiten bietet und immer offen und bereit für Kommunikation ist. Das empfinde ich als eine wichtige Voraussetzung. Daher würde ich anderen Eltern immer empfehlen, bei der Auswahl der Hochschule auf so etwas zu achten.
Außerdem würde ich ihnen noch etwas mit auf den Weg geben, auch wenn ich das jetzt aus einer privilegierten Situation, mit Familie vor Ort, sage: Man sollte die eigene Weiterentwicklung und Interessen nicht nur von Kindern oder allgemein von seinen Lebensumständen abhängig machen. Es gibt Wege und Möglichkeiten, alles unter einen Hut zu bekommen. Ich denke, es gibt tatsächlich nie nur den einen richtigen Zeitpunkt, um Kinder zu bekommen oder zu studieren.